Von einer besonderen Ausbildung – und einer Legende

Tag 11: Carmen Pampa – klingt nach einem Ort, der nicht nur weit entfernt liegt, sondern auch öde und menschenleer ist. Alle drei Vorurteile treffen auf die "Unidad Académica Campesina Carmen Pampa" definitiv nicht zu. Na ja, eines fast.

"Carmen Pampa" ist Tei der Katholischen Universität von Bolivien. Foto: Wala

Allenfalls die Entfernung ist ein wenig pampamäßig. Es sind zwar nur 12 Kilometer, doch führt die Strecke an einem Hang entlang über ein weitgehend einspurige Schotterstrecke – wie eigentlich immer in den Tages des Besuches der Delegation um Bischof Norbert Trelle. Selbst für geländegängige Fahrzeuge eine Herausforderung. Für die Insassen übrigens auch.

Einer der Fahrer der Delegation ist Padre Alejandro Mamani. Er ist auch Direktor von Carmen Pampa, die institutionell zur Katholischen Universität von Bolivien gehört. Die Universität zählt heute über 600 Studierende. 60 Prozent sind junge Frauen, eine Seltenheit für bolivianische Universitäten. Eine Entwicklung, die Padre Alejandro sehr freut. Wurde Carmen Pampa doch 1993 mit dem Ziel gegründet, gerade benachteiligten jungen Menschen vom Land, die Chance auf ein Studium zu geben – und damit auch jungen Frauen, die sonst traditionell mehr oder weniger in eine Ehe gedrängt werden. Initiatorin der Uni war der amerikanische Franziskaner Damon Nolan.

Die Studierenden leben in Wohngemeinschaften in der Universität und engagieren sich auch außerhalb der Seminare für die Uni. Foto: Wala

Die Studiengebühren sind bewusst niedrig angesetzt: etwas 100 Dollar pro Semester. An anderen Universitäten müssen die Familien das Zehnfache aufbringen. Oder sogar noch mehr. Dafür engagieren sich die Studierenden von Carmen Pampa weit über die Seminareinheiten hinaus. Sie leben in Wohngemeinschaften auf dem Campus, halten die Uni sauber, bauen Gemüse an, ernten Obst, vertreiben Kaffee und leisten pro Semester 80 Stunden an soziale Arbeit. Egal, welches Fach sie studieren.

Agrarwissenschaften, Tiermedizin, Krankenpflege, ländlicher Tourismus und Pädagogik – das kann an Carmen Pampa studiert werden. Die Studierenden werden oftmals von ihren Pfarreien zum Studium an der Carmen Pampa ausgewählt und gesendet. Um die unterschiedlichen Schulausbildungen auf einen Nenner zu bringen, gibt es die sogenannte Pre-U, eine Art gemeinsames Vorbereitungsprogramm auf das Lernen an einer Universität. Hinzu kommt, wie Padre Alejandro es nennt, "die religiöse Formation": die Heilsgeschichte der Kirche, Sekten, Ethik/Moral, Sinnsuche – auch das gehört quer durch alle Fächer zum Lehrplan. Breiten Raum nimmt auch die Soziallehre der Kirche ein.

Neben Agarwissenschaften können an Carmen Pampa auch Tiermedizin, Krankenpflege oder ländlicher Tourismus und Pädagogik studiert werden. Foto: Wala

So setzt die Universität die Option für die Armen und die Frage nach der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechter um. Und mehr noch: "Die Bewahrung der Schöpfung, der Erhalt unserer Lebensgrundlagen ist eine weitere Querschnittsaufgabe", sagt Padre Alejandro. Das Gemüse und Obst, das auf dem Gelände der Uni angebaut wird, ist biologisch. Kein Kunstdünger, keine Pestizide. Dafür viel Arbeit, von der sich die Delegation bei einem Gang über das Gelände überzeugen kann. Schädlinge werden durch Mixturen von Knoblauch, Zwiebeln und Wasser vertrieben. Studierende untersuchen zurzeit, ob Wasser beigesetztes Chili Vögel davon abhalten kann, den Blumenkohl zu plündern. Andere Studierende erforschen die Umgebung von Coroico und entdecken die schier unendliche biologische Vielfalt der subtropischen Yungas. Allein 120 Orchideenarten konnten bestimmt werden. Nur ein Beispiel, "dass der Reichtum der Natur hier unser Kapital ist", meint Padre Alejandro. Deshalb ist die Bewahrung der Schöpfung so wichtig.

Zwei weitere Aspekte zeichnen die Universität aus. Zum einen arbeiten die Studierenden in Gruppen in einer engen Verzahnung von Theorie und Praxis. Zum anderen hält die Universität mit ihrem Wissen nicht hinter dem Berg. Bewusst werden Projekte entwickelt, die der Bevölkerung in der Nachbarschaft helfen können.

Die Delegation aus dem Bistum informiert sich über den biologischen Anbau in Carmen Pampa. Foto: Wala

Schon am Vorabend wurde der Delegation um Bischof Norbert Trelle ein Bespiel der praktischen Ausrichtung der Universität präsentiert. Zwei Studentinnen der Bereiches Touristik, Iris und Fortun, erläutern einen Solarherd: ein Kiste aus Zink, isoliert mit Schafwolle, zwei Spiegeln und einem das Sonnenlicht einfangenden Metallrahmen. Kochen nur mit Sonnenenergie. Und davon gibt es in der Region um Coroico genug an vielen Tagen im Jahr.

Allerdings: Es braucht Geduld. "Kartoffeln brauchen bis zu drei Stunden, um gar zu werden", erläutert Iris. Auch Früchte, mit der die Region reich gesegnet ist, können mit dem Herd getrocknet werden. Das kann bei diesem ohnehin langwierigemProzess auch über Nacht geschehen – so gut hält der Herd die Wärme. Etwa 2500 Bolivianos, umgerechnet gut 250 Euro, kostet der Herd. Viel Geld für eine bolivianische Familie. Aber auch in Bolivien steigen die Gaspreise. Der Solarherd kann daher zu einer Alternative werden.

Gute Perspektiven: Absolventen der Uni Carmen Pampa erhalten gute Angebote staatlicher Stellen und von Banken. Foto: Wala

Trotzdem steht Carmen Pampa vor einer großen Herausforderung, erläutert der stellvertretende Leiter, Andres Pardo. Die Qualität der Ausbildung an der Uni hat sich rumgesprochen: Staatliche Stellen, aber vielfach auch Banken, machen den Absolventen von Carmen Pampa gute Angebote. Fast egal, welches Fach sie studiert haben. "Es ist eigentlich nicht unsere Absicht, Personal für Banken auszubilden", sagt Andres Pardo. Sie möchten lieber die Studierenden ermutigen, ihre eigenen Unternehmungen zu starten. Dafür braucht es Wissen in Betriebswirtschaft und Kenntnisse in der Führung eines Unternehmens. "Wir können und wollen keinen zusätzlichen Studiengang einrichten", betont Andres Pardo. Stattdessen sollen die Inhalte in die bestehenden Fächer eingegliedert werden. Zum Teil wieder ganz praktisch – beispielsweise durch ein kleines Hotel auf dem Campusgelände.

Ein entsprechendes Projekt wurde nun mit Hilfe der Inneramerikanischen Entwicklungsbank gestartet. Berater aus den USA sollen dabei helfen, die Universität weiter zu entwickeln. Drei Jahre Zeit hat Carmen Pampa dafür. "Eine echte Herausforderung, auch finanziell", sagt Andres Pardo – mit einigen Sorgenfalten.

Gottesdienst in der Kathedrale von Coroico. Foto: Wala

Der Tag endet mit der Feier der heiligen Messe in der Kathedrale von Coroico. Sie ist der Virgen de la candelaria de Coroico geweiht – Maria Lichtmess. Mit ihr ist eine recht junge Legende verbunden, wie Bischof Juan Vargas erzählt. 1811, zu Zeiten des Unabhängigkeitskrieges Boliviens, stand Coroico unter Belagerung der spanischen Armee. Die Situation war aussichtslos für die Bewohner der Stadt. Da erschien am Horizont ein Heer, mit einer jungen Frau an der Spitze, die ein Schwert trug. Die Spanier ergriffen die Flucht. Als die Bewohner von Coroico der Frau und dem Heer danken wollten, waren beide verschwunden. Ein Zeichen des Himmels. In einer Seitenkapelle wird eine Figur der Virgen verehrt.  

Die Kathedrale ist der Virgen de la candelaria de Coroico geweiht. Foto: Wala
Traditioneller Brauch in Coroico: Bischof Norbert Trelle spendet den Segen mit Weihwasser auf Hände und Kopf. Foto: Wala

In der Kathedrale ist die Partnerschaft zwischen den Bistümern Trier und Hildesheim und der Kirche von Bolivien präsent: Ein Krug mit dem Zeichen der "Hermandad", der Partnerschaft, steht auf dem Hochaltar. Gut sichtbar. Auch in der Predigt geht Bischof Vargas auf die Partnerschaft ein: Die Hermandad ist wie ein Schatz, der stetig gehoben werden muss, sagt er. Vargas bedauert, dass der Besuch von Besuch von Bischof Trelle recht kurz war. Morgen geht es für die Delegation wieder nach La Paz, zur letzten Stadtion des Besuchs. Doch zuvor spendet Bischof Trelle für die Besucher des Gottesdienstes den Segen mit Weihwasser auf die Hände wie auf den Kopf. Das gehört traditionell zu einer heiligen Messe im Bistum Coroico dazu. Ein Zeichen des Zuspruch Gottes und der Verbundenheit als Brüder und Schwestern.

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