28.03.2014

Werke der Barmherzigkeit: Nackte bekleiden

„Begegne ihnen auf Augenhöhe“

Oft bleibt Flüchtlingen nur wenig mehr als das letzte Hemd. Wie gut, dass es Leute wie Marie-Luise Schwarz und Andreas Graubner gibt. Sie sorgen in der Kleiderkammer der Caritas in Friedland nicht nur für Kleidung, sondern sich auch um das Ansehen der Menschen sorgen.

Reichhaltige Auswahl: Flüchtlinge und Asylbewerber finden in der Caritasstelle Friedland bei Marie-Luise Schwarz und Andreas Graubner immer etwas Passendes zum Anziehen. Foto: Pohlmann

Marie-Luise Schwarz kennt das Lager seit Kindertagen. Geboren und aufgewachsen ist die heute 58-Jährige in Klein Schneen. Schon ihr Großvater hat dort gearbeitet. Für sie wird es immer „das Lager“ bleiben – auch wenn es in all den Jahren immer wieder Veränderungen gegeben hat.

Im September 1945 wurde in Friedland eine erste Anlaufstelle für Flüchtlinge, Vertriebene und Heimkehrer eingerichtet. Später wurde das Grenzdurchgangslager Friedland zur bundesweit einzigen Einrichtung für die Erstaufnahme von Spätaussiedlern.

Kleiderausgabe an zwei Tagen in der Woche

Neben Asylbewerbern aus  zahlreichen Ländern weltweit sind es derzeit vor allem Flüchtlinge aus Syrien, die in Friedland Aufnahme finden. Die meisten kommen buchstäblich fast nur mit dem, was sie auf dem Leib tragen – und dem, was sie noch in einer Tasche mitschleppen konnten. Die Flüchtlinge bekommen Unterstützung bei der Neubekleidung, von einer angemessenen Grundausstattung sind sie dabei dennoch weit entfernt. Angewiesen sind Flüchtlinge und Asylbewerber darauf, dass Menschen wie Marie-Luise Schwarz sie mit gebrauchter Kleidung versorgen. Schwarz gehört zu einem ehrenamtlichen Team, das die Ausgabe von gebrauchter Kleidung organisiert. Zweimal in der Woche hat diese Kleiderausgabe der Caritas in Friedland geöffnet – und der Andrang ist groß.

Dass es nicht zu einem Chaos kommt, ist Andreas Graubner zu verdanken. Der 57-Jährige sorgt für das Einhalten der Reihenfolge. Oder dass Schwangere Vortritt bekommen. In Ruhe können die Menschen das Sortiment durchsehen und passende Kleidung für sich  heraussuchen. „Viele Leute reden nur, tun aber wenig“, sagt Graubner. Er selbst gönnt sich derzeit vor einem beruflichen Neuanfang eine Auszeit. Dennoch möchte er aktiv sein und ein gutes Werk tun. „Schlichtweg helfen“, benennt der gebürtige Bremer seine Motivation. In seinem Umfeld möchte er mit seinem Engagement aber auch ein Zeichen setzen: „Ich helfe, die Vorbehalte gegen Flüchtlinge abzubauen.“

Religion und Nationalität sind zweitrangig

„In Friedland selbst ist das leichter“, ergänzt Marie-Luise Schwarz. Hier sei man es gewohnt, mit Heimkehrern, Spätaussiedlern oder Flüchtlingen in Kontakt zu kommen. Für Schwarz ohnehin kein Problem: „Ich begegne ihnen auf Augenhöhe.“ Ein Mensch ist in erster Linie ein Mensch, so ihre christlich geprägte Grundauffassung. Religion oder Nationalität sind zweitrangig. Sie selbst hat eine Zeit lang im Ausland gelebt und durchweg positive Erfahrungen gemacht. Sich uneigennützig in den Dienst für andere zu stellen, ist für Marie-Luise Schwarz ganz selbstverständlich: „Ich möchte meinen Beitrag leisten.“ Und das erledigt sie mit vollem Einsatz: Sie sortiert Ware, erklärt geduldig die Bedingungen und berät bei der Auswahl der Kleidung. Doch sie kann auch energisch werden, wenn jemand versucht, sich Vorteile zu verschaffen. „Zu 90 Prozent machen wir hier positive Erfahrungen“, sagt Schwarz. Die Leute seien sehr dankbar. 

Ohne die Unterstützung von Spendern könnten Schwarz und Graubner wenig für Flüchtlinge und Asylbewerber tun. Über Nachschub an Kleidung können sich die Helfer nicht beklagen. Doch es fehlen Taschen und Koffer. „Wer mit Plastiktüten an seinen neuen Aufenthaltsort reist, wird gleich schief angesehen“, so Schwarz.

Wo Not ist, packt sie mit an – egal ob im Krankenhausbesuchsdienst, im ambulanten Hospizdienst oder eben der Kleiderkammer. Dieser Einsatz für Fremde, für andere macht das Engagement von Marie-Luise Schwarz und ihren Mitstreitern zu einem echten Werk der Barmherzigkeit.

Thomas Pohlmann