06.10.2014
Interview zur Kunstinstallation auf der Basilika St. Clemens in Hannover
„Ich bin Teil der Gemeinschaft“
Am 8. Oktober bekommt die Kuppel der Basilika St. Clemens in Hannover ein Wollnetz. Fragen zu diesem Kunstprojekt beantworten Künstlerin Mansha Friedrich und Initiatorin Annedore Beelte-Altwig.
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Eifrig haben Künstlerin Mansha Friedrich und die vielen Strickerinnen in den vergangenen Wochen an dem Wollnetz gearbeitet. Foto: Privat |
Wie kam es zu der Idee?
Beelte-Altwig: Ich habe das Schaffen von Mansha Friedrich seit Längerem verfolgt, weil ich ihre Kunstprojekte großartig finde. Und Stricken ist eine Tätigkeit, die von vielen Gemeindemitgliedern ausgeübt wird, aber selten in die Öffentlichkeit kommt. Es passt einfach gut zusammen, das Know-how des Strickens und der Impuls, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Und warum die Basilika?
Beelte-Altwig: Kunst erfreut Menschen, lässt sie Dinge neu sehen. Die Basilika St. Clemens ist selbst ein Kunstwerk, liegt aber etwas abseits. Mit Blick auf das Bistumsjubiläum wurden wir ermuntert, über andere und ungewöhnliche Aktionen nachzudenken. Da lag es nahe, die Kirche neu zu inszenieren – um sie stärker in den Blick zu rücken.
Nun sind Basilika und Kuppel recht groß. Ist das Projekt denn überhaupt machbar?
Friedrich: Vor drei Jahren habe ich mich bei einem Projekt verschätzt, aber daraus gelernt. Dadurch kann ich einschätzen, ob etwas machbar ist – und die Kuppel ist machbar. Es bedurfte jedoch einer klaren Logistik und Organisation. Viele Fakten mussten geklärt werden. So hatte ich am Anfang nicht einmal die Maße der Kuppel.
Beelte-Altwig: Aber Mansha Friedrich war sofort Feuer und Flamme für das Projekt.
Zunächst war die Rede von einer Strickmütze für die Kuppel?
Friedrich: Das wäre dann wirklich nicht machbar gewesen. Mit meiner Kunst will ich auch nicht verhüllen. Ich möchte Akzente setzen und so erreichen, dass Gebäude neu und anders wahrgenommen werden.
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Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, Strick-Kunst in den öffentlichen Raum zu bringen?
Friedrich: Ich komme aus der Graffiti-Szene, daher hatte ich immer schon den Impuls, Kunst in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ich stricke selbst gerne und da hat mich diese Idee der Strick-Graffitis aus Amerika inspiriert. So kann ich zwei Interessen verbinden. Das Schöne daran ist, dass es keine Schäden verursacht. Ich habe Graffitis zwar kaum illegal gesprayt, dennoch lässt sich ein gespraytes Kunstwerk auch nicht einfach wieder entfernen. Für mich ist diese Form des Strick-Graffitis perfekt.
Nun gibt es auch Kritiker.
Friedrich: Natürlich kommt auch Kritik, dass die Wolle verschwendet ist. Ich werde immer wieder damit konfrontiert. Doch jeder Künstler verwendet Materialien. Wenn ein Mann ein Kunstobjekt aus Holz erstellt, sagt keiner etwas. Aber als Strickerin muss ich mich rechtfertigen. Das ist absurd.
Beelte-Altwig: Das eine schließt das andere doch nicht aus. Niemand soll abgehalten werden, Topflappen oder Socken für den guten Zweck zu stricken. Aus Holz und Stein kann ich auch ein Haus bauen – oder eben Kunstwerke erschaffen. Es ist wichtig, das eine zu tun und das andere nicht sein zu lassen. Und die Wolle wird ja auch wieder verwendet.
Friedrich: Gott sei Dank gibt es mutige Menschen, die sich Kritik widersetzen. Die Aktion muss nicht jedem gefallen, aber sie müssen sich damit auseinandersetzen. So bringt sie Menschen in den Dialog. Das ist es, was ich erreichen möchte.
Über 130 Frauen haben mitgestrickt. Hat Sie das überrascht?
Friedrich: Ja, ich war überrascht von der Resonanz. Mit Strickgraffitis können Menschen einer gewissen Altersklasse oft wenig anfangen – doch gerade die haben sich hier beteiligt. Und die Treffen mit den Strickerinnen sind zu einem wichtigen Teil der Aktion geworden. Es ist eine echte Gemeinschaftsaktion. Sie hat mir viel Freude bereitet.
Aber auch Sorgen, wenn man sich die gefertigten Teile ansieht?
Friedrich: Ich hatte Vorgaben gemacht und die wurden längst nicht immer eingehalten. Aber ich habe mich nicht geärgert. Ich empfinde es als charmant und menschlich, dass sich die strickerfahrenen Frauen darüber hinweggesetzt haben. Es geht nicht nur um Produktion und Ergebnis, sondern auch darum, dass man zusammen Freude erlebt. Und ich sehe mich als Teil dieser Gemeinschaft. Das ist mir viel mehr wert als das korrekte Einhalten der Vorgaben, umso reichhaltiger ist das Projekt.
Das bedeutet, dass nicht alle Teile verwendet werden?
Friedrich: Einige Stücke haben wir aussortiert – weil sie zu schön sind. Die werden wir am 8. Oktober als Beispiel präsentieren. Andere werden wir für einen Baum verwenden, den wir an diesem Tag umstricken. So findet jedes Teil Verwendung.
Wie lange wird der Aufbau dauern?
Friedrich: Da bin ich selbst gespannt. Geplant ist ein Tag. Doch wie lange die Industriekletterer für die Installation brauchen, kann keiner sagen. Wir konnten ja auch nichts testen.
Haben Sie eine Vorstellung davon, wie es aussehen wird?
Friedrich: Im Moment habe ich wirklich keine Vorstellung, wie es wirkt. Ich bin selbst sehr gespannt.
Beelte-Altwig: Es wird einfach schön werden.
Im Anschluss sollen die Teile als Decken für den guten Zweck versteigert werden?
Friedrich: Ja, das war uns von Anfang an wichtig, auch vielen Strickerinnen. Wir haben darum auch den Zeitraum der Aktion auf vier Wochen begrenzt, damit die Wolle nicht zu sehr unter den Wettereinflüssen leidet.
Was erleben Sie an Resonanz auf diese Aktion?
Friedrich: Ich werde immer wieder auf die Aktion mit der Kuppel angesprochen. Es ist eine spektakuläre Sache, die positiv aufgenommen wird. Auch dass es eine Aktion der Kirche ist.
Und Ihr persönliches Fazit?
Friedrich: Mir ist die Gruppe der Strickerinnen ans Herz gewachsen. Die Frauen engagieren sich mit viel Herzblut und Zusammenhalt für eine Sache, die nicht gewöhnlich ist. Schade wäre es, wenn diese Gemeinschaft im Anschluss verpufft. Eine solche Gemeinschaft, die innerhalb von Kirche möglich ist, vermisse ich oft im alltäglichen Leben.
Fragen: Thomas Pohlmann
Interessierte können die Installation am Mittwoch, 8. Oktober, vor Ort miterleben. Der Aufbau beginnt um 10 Uhr. Bis 17 Uhr gibt es Infostände und Mitmachaktionen, Kirchenführungen und Musik (Goethestraße 30).