15.10.2015

150 Jahre Kolping in Hannover

„Noch habe ich das Patentrezept nicht gefunden“

In Hannover feiert Kolping das 150-jährige Bestehen. Doch wie steht es um den Verband? Gerade jetzt ist eine Rückbesinnung auf den Gründer wichtig, erläutert Diözesanvorsitzender Andreas Bulitta.

Seit 2008 ist Andreas Bulitta Kolping-Diözesanvorsitzender

Die Kolpingsfamilien in Hannover feiern ihr 150-jähriges Jubiläum. Wird man in 150 Jahren wieder ein Jubiläum von Kolping in Hannover feiern können?

Wir stehen als Kolpingsfamilien vor großen Herausforderungen, da wir derzeit mit zwei Trends zu kämpfen haben: Erstens gehen uns bistumsweit pro Jahr zwei Prozent unserer Mitglieder verloren und einige unserer Familien sind mit einem Altersdurchschnitt über 50 Jahren überaltert. Und zweitens wird es immer schwieriger, aus dem verbliebenen Stamm Mandatsträger und Menschen zu finden, die ehrenamtlich Verantwortung übernehmen wollen. Es ist nicht klar, wie wir diesen Trend umkehren können. Es gibt zwar interessante Beispiele aus den Bistümern Osnabrück und Regensburg, wo die Mitgliederzahlen wieder steigen. Aber dies geschieht oft in Abhängigkeit von Faktoren, die in unserem Bistum nicht gegeben sind.

Wir versuchen aktuell die Mandate und Verbandsstrukturen für Interessierte verständlicher zu machen. Aber ich glaube schon, dass es in 150 Jahren wieder ein Jubiläum in Hannover geben wird. Die Frage ist nur, mit wie vielen Mitgliedern und Familien. Ich gehe da von geringeren Zahlen aus.

Hängen diese Trends nicht auch mit dem allgemeinen gesellschaftlichen Phänomen zusammen, dass die Menschen sich den Kirchen und Verbandsstrukturen nicht mehr verbunden fühlen?

Ich bin nicht davon überzeugt, dass das wirklich die Gründe sind. Kolping ist ein generationenübergreifender Verband, dessen Kernaufgabe es ist, Menschen zum Christsein in der Welt zu befähigen. Unsere Familien sind die kleinste organische Einheit dieses Verbandes. Wir stehen füreinander ein, wir fühlen uns besonders verbunden und teilen Freud und Leid miteinander. Viele unserer Kolpingsfamilien sind Gruppen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg beim gemeinsamen Aufbau von Kirchen gefunden haben. Diese Gruppen sind jetzt miteinander alt geworden. Ich will damit nicht sagen, dass es abgeschottete Gruppen sind, aber es sind Menschen, die sich in dieser Zeit als Gruppe mit einem ähnlichen Hintergrund und Interessen gefunden haben.
Und was das Gewinnen neuer Mitglieder betrifft: Ich könnte jetzt die obligatorische Schimpfe auf die neuen Medien und die Mobilität der Menschen anführen, aber als Kolpingsfamilie müssen wir uns meiner Meinung nach auf unsere Kernaufgabe besinnen und auf Adolph Kolping. Er selbst stand als Mensch den Neuerungen seiner Zeit sehr positiv gegenüber und hat diese für sich genutzt. Ich denke da an Zeitungen, Vorläufer von Kranken- und Sparkassen. Noch habe ich das Patentrezept nicht gefunden.

Welche Bedeutung haben die Kolpingsfamilien noch heute?

Die Kolpingsfamilien sind die Schnittstelle der Kirche zu Politik und Gesellschaft. Sie nehmen das Heft des Handelns an vielen Kirchorten in die Hand und packen tatkräftig mit an. Gerade in Hannover, wo jetzt das Jubiläum ansteht, ist es in der Diaspora besonders wichtig, die Werte Adolph Kolpings hochzuhalten und sich für die Bildung und sichere Unterkunft der Armen einzusetzen. So organisieren dort die Kolpingsfamilien vor Wahlen Diskussionsrunden mit Politikern, es gibt zahlreiche Vorträge und besondere Gottesdienste und eine internationale Partnerschaft mit Brasilien, in dessen Rahmen die Projektarbeit vor Ort mit Altkleidersammlungen durch die Kolpingsfamilien finanziert wird.

Und nicht zu vergessen das Kolpinghaus, das in Hannover tatsächlich immer noch seiner ursprünglichen Aufgabe nachgeht, Männer in schwierigen Lebenssituationen Obdach zu gewähren. Es ist dieses Gedankengut, das die Kolpingsfamilien auch durch schwierige Zeiten wie den Nationalsozialismus getragen hat.
Und es gibt immer noch Kolpingsfamilien in unserem Bistum, die nicht überaltert sind. Rund 15 Prozent unserer Mitglieder sind unter 30 Jahren alt. Deswegen blicke ich positiv in die Zukunft.

Fragen: Marie Kleine

 

Am Samstag, 17. Oktober, feiern die Kolpingsfamilien in Hannover ihr 150-jähriges Jubiläum. Um 14.30 Uhr beginnt der Festakt, anschließend Bgegnung im Tagungshaus St. Clemens. Den Abschluss bildet der Festgottesdienst um 18 Uhr in der Basilika St. Clemens (Goethestraße 33).