13.07.2012

Patientenverfügung

Auf jeden Fall vorbereitet

Wer nicht zeitig etwas unternimmt, für den kann es im Falle eines Falles zu spät sein: Viele Menschen scheuen sich, frühzeitig eine Patientenverfügung auszustellen. Dabei kann sie enorm wichtig sein, wenn das eigene Leben selbstbestimmt zu Ende gehen soll.

Wer denkt schon gern ans Sterben? Gerade für junge Menschen ist der eigene Tod meist ein unkonkretes Ereignis in ferner Zukunft. Bis es dann zum schweren Verkehrsunfall kommt. Bis sie völlig unvorhergesehen einen Herzinfarkt erleiden. Bis das Schicksal einfach zuschlägt.

Viele Menschen wollen lieber sterben, als auf Jahre hinaus als Schwerstpflegefall im Krankenbett zu liegen. Deshalb ist es ratsam, eine Patientenverfügung auszustellen, damit Ärzte und Angehörige wissen, wie sie in einer solchen Situation reagieren sollen.  Foto: epd-bild
Viele Menschen wollen lieber sterben, als auf Jahre hinaus als Schwerstpflegefall im Krankenbett zu liegen. Deshalb ist es ratsam, eine Patientenverfügung auszustellen, damit Ärzte und Angehörige wissen, wie sie in einer solchen Situation reagieren sollen. Foto: epd-bild

Es sind längst nicht nur ältere oder kranke Menschen, die über eine Patientenverfügung nachdenken sollten. Wenn etwa ein junger Mann bei einem Verkehrsunfall so schwer verletzt wird, dass er ins Koma fällt, dann wissen Angehörige oft nicht, wie sie damit umgehen sollen. Mediziner können ihn vielleicht über Jahre hinweg am Leben erhalten. Vielleicht wird der junge Mann sogar nach ein paar Monaten wieder aufwachen. Doch wenn er dann aufgrund von Hirnschädigungen für den Rest seines Lebens zum Schwerstpflegefall wird, hätte er selbst sich vielleicht gegen jegliche lebenserhaltende Therapie gewandt und wäre lieber an den Folgen des Unfalls gestorben.

Gesetz schreibt Verbindlichkeit fest

2009 wurde das Betreuungsgesetz in der Weise geändert, dass Patienten nun selbst weitreichen-de Verfügungen für solche Situationen treffen können. „Zuvor waren die Voraussetzungen und vor allem die Verbindlichkeit und Reichweite einer Patientenverfügung stark umstritten“, erläutert die Frankfurter Rechtsanwältin Dr. Anna-Kathrin Schwedler, die sich im Zuge ihrer Dissertation an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eingehend mit dem Gesetz auseinandergesetzt hat.

Der zentrale Passus sieht vor, dass Patientenverfügungen schriftlich abgefasst werden müssen, aber jederzeit mündlich widerrufen werden können. „Für Ärzte hat sich verändert, dass sie verstärkt den Patientenwillen beachten müssen“, so Schwedler. Mediziner seien verpflichtet, sich zu erkundigen, ob eine Verfügung besteht oder ein Bevollmächtigter ernannt wurde. Des weiteren hätten sie zu prüfen, ob die getroffenen Bestimmungen auf die akute Situation zutreffen oder es Anzeichen für eine in der Zwischenzeit erfolgte Änderung des Patientenwillens gibt. Vorgesehen ist ferner, dass Patienten eine andere Person dazu bevollmächtigen können, im Namen und mit Wirkung für den Patienten Erklärungen abzugeben, wenn dieser dazu nicht mehr in der Lage ist.

Aus juristischer Sicht herrsche weitgehende Klarheit für den Umgang mit Patientenverfügungen, sagt Schwedler. Dennoch ermögliche das Gesetz eine Auslegung der Bestimmungen: „Bei den Einschätzungen, welche Krankheit nun so schwer ist, dass der Patient auf alle lebenserhaltenden Maßnahmen verzichten möchte, müssen Ärzte und andere Beteiligte zusammenwirken. Nur so kann gewährleistet werden, dass der wirkliche Wille des Patienten auch zur Geltung kommt.“ Wird  ein solcher Konsens nicht erzielt, müssen die Beteiligten eben das Betreuungsgericht einschalten.

Es kann vor dem Ausstellen einer Patientenverfügung sinnvoll und hilfreich sein, das Gespräch mit einem Seelsorger zu suchen. Denn für viele Menschen bildet die Religion die Basis für die konkrete Entscheidung: „Es geht in solchen Gesprächen auch darum, wie ich mein Leben aus dem Glauben heraus einschätze. Dass ich sage, ich möchte keine weiterführenden Behandlungen, weil mein Leben in Gottes Hand liegt“, berichtet Pastor Dr. Ludwig Haas, Krankenhausseelsorger am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Mitglied der Kommission für Medizin und Gesundheitsethik des Erzbistums Hamburg.

An den Grenzen von Schicksal und Machbarem

„Es treten bei Behandlungen immer wieder Situationen ein, wo eindeutig ist, dass das Leben zu Ende geht, dass das Sterben begonnen hat. Dann sollte man einen Patienten auch sterben lassen“, sagt er. Einen Eingriff in die Therapie mit dem Ziel, einen offenen Prozess abzubrechen – wie etwa bei einem Wachkoma-Patienten – lehnt er hingegen aus ethisch-theologischer Sicht ab.

Pastor Florian-Sebastian Ehlert, evangelischer Seelsorger am katholischen Krankenhaus Reinbek, formuliert es so: „Dort, wo Patientenverfügungen zum Einsatz kommen, sind wir nicht mehr im Bereich des natürlich Schicksalhaften, sondern im Bereich der Hochleistungsmedizin – und die kann Patienten sehr lange am Leben erhalten.“ Doch das menschlich Machbare sei nicht zwangsläufig auch sinnvoll. „Die Frage ist, inwieweit das Machbare in einem vertretbaren Verhältnis zu den Belastungen einer Therapie und zum Patientenwillen steht“, sagt er.

Marco Heinen

 

Checkliste: Der Weg zur Verfügung

  • Machen Sie sich Gedanken über das Thema! Überlegen Sie, unter welchen Umständen Sie auf eine lebenserhaltende Behandlung verzichten wollen. Nehmen Sie sich Zeit, damit die Entscheidung reifen kann. Überlegen Sie, ob Sie überhaupt eine Patientenverfügung ausstellen wollen. Möglich ist auch, eine Entscheidung an eine andere Person mittels einer schriftlichen Betreuungsverfügung zu übertragen. Dies kann eine sinnvolle Ergänzung zur Patientenverfügung sein. Ältere Menschen sollten sich dabei von unabhängiger Seite beraten lassen.
  • Reden Sie mit Angehörigen oder Freunden, mit Ihrem Hausarzt oder einem Geistlichen über das Thema. Je intensiver solche Gespräche sind, umso einfacher ist es später, eine Entscheidung in Ihrem Sinne zu treffen.
  • Erstellen Sie eine Patientenverfügung: Einen Leitfaden dazu gibt es beispielsweise seitens der Deutschen Bischofskonferenz. Im Internet kann die „Christliche Patientenvorsorge“ kostenlos als pdf-Datei unter www.dbk-shop.de heruntergeladen werden. Die Broschüre mit der Artikelnummer 620 – wichtig für die Bestellung! – kann aber auch per Post (AZN-Auslieferungszentrum, Postfach 1355, 47613 Kevelaer) oder per Fax (0228 / 10 33 30) bestellt werden. Auch beim Bundesministerium für Justiz können im Internet unter www.bmj.de eine Broschüre zur Patientenverfügung sowie Formulare für eine Betreuungsverfügung und eine Vorsorgevollmacht heruntergeladen werden. Wer will, kann sich von einem Rechtsanwalt oder Notar beraten lassen.
  • Hinterlegen Sie die Patientenverfügung bei Ihrem Hausarzt, einem Bevollmächtigten oder einer vertrauten Person. Eine Hinterlegung bei einem Anwalt oder Notar ist nicht notwendig. Bei antstehenden Operationen: Nehmen Sie die Verfügung mit ins Krankenhaus und weisen Sie den Arzt darauf hin!