13.04.2015
Aufhorchen, zuhören, eingreifen
Der Flugzeugabsturz über den Alpen hat uns jüngst erschreckend vor Augen geführt: Suizid ist ein Thema! Allein in Deutschland bringen sich jedes Jahr rund 10.000 Menschen um. Fast immer stehen anschließend Angehörige und Freunde vor der Frage: Was hätte ich tun können? Ein Patentrezept gibt es nicht, aber immerhin ein paar gute Beratungsstellen und Online-Angebote.
Oft ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die verzweifelten Menschen irgendwann die letzte Hoffnung raubt, und sie glauben lässt, der Tod sei besser als das Leben: Trennungen, Krankheiten, finanzielle Not, der Verlust des Arbeitsplatzes, psychische Probleme, Überforderung oder Mobbing, Streit, Einsamkeit.
Statistiken über die genauen Motive gibt es zwar nicht. Doch allein die Ergebnisse solch negativer Ereignis- und Gedankenspiralen sind erschreckend: Jedes Jahr nehmen sich in Deutschland rund 10.000 Menschen das Leben. Damit sterben hierzulande mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen, so die Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS), die im Internet dankenswerter Weise auch eine Liste mit Beratungsstellen publiziert hat. Die Zahl jener, die zumindest zeitweise mit dem Gedanken an den sogenannten „Freitod“ spielen, lässt sich nicht einmal annähern schätzen. Grund genug also, einmal näher „hinzugucken, aufzumerken, einzugreifen, Hilfe anzubieten, da zu sein“, wie jüngst der Berliner Tagesspiegel notierte.
Sieht man einmal von dem Suizid von Fußballprofi Robert Enke oder jüngst dem Amokflug des Co-Piloten Andreas Lubitz ab, werden von den Medien konkrete Vorfälle – Gott sei Dank – meist nur selten aufgegriffen; beziehungsweise sie werden von Sicherheitsbehörden erst gar nicht bekannt gemacht. Denn fast jeder Selbstmord, vor allem die Spektakulären oder die von Prominenten, zieht andere, sogenannte Nachahmer in einen tödlichen Bann.
Wenn jemand plötzlich sein Wesen ändert…
Besonders schlimm sind Suizide für die Hinterbliebenen. Michael Witte, der Geschäftsführer der DGS und der Berliner Beratungsstelle für suizidgefährdete Jugendliche „Neuhland“ rät daher generell, sofort aufzuhorchen, wenn jemand aus dem Freundeskreis oder der Familie plötzlich sein Wesen ändert. Wenn sich zum Beispiel jemand, der früher eher extrovertiert war, mehr und mehr zurückzieht, und nun Verabredungen lieber absagt, als sie einzuhalten. Laut Witte kündigen rund 80 Prozent der Suizid-Gefährdeten ihre Absichten vorher an – beispielsweise durch ernste Sätze, Sprüche, Gesten oder Posts im Internet.
„Jede Anspielung sollte sehr ernst genommen werden.“ Oft aber fallen Selbstmordgefährdete eher unangenehm auf, als dass sie traurig oder verzweifelt wirken, werden auf einmal ruppig und abweisend, weil sie sich von allem gefordert und überfordert führen. Patentrezepte gibt es nicht, aber doch einige Indikatoren dafür, wie wichtig eine gute Prophylaxe sind. Lag Berlin in den 1980er Jahren noch in jeder Selbstmordstatistik weit vorn, nimmt die Hauptstadt bei den Suiziden pro Kopf im Bundesvergleich – dank eines gut ausgebauten Hilfenetzes - inzwischen einen hinteren Listenplatz ein.
Da auch Angehörige und Freunde jederzeit professionelle Helfer einschalten könnten, raten Psychologen alle Alarmsignale ernst zu nehmen. Depressive Menschen verändern oft ihre Schlaf- und Essgewohnheiten, machen sich aus ihren Hobbys nichts mehr, wirken häufig rastlos, getrieben, hoffnungslos, und sind oft überkritisch gegen sich selbst. Grundsätzlich sei es in solchen Fällen gut, seinem Gegenüber erst mal zu zeigen, wie wichtig er oder sie einem ist, sagte Anselm Lange von der Telefonseelsorge dem Tagesspiegel.
Spezielles Angebot der Caritas für Jugendliche
![]() |
Rund um die Uhr kostenlos erreichbar |
Die Telefonseelsorge, bei der mehr als 8000 Ehrenamtliche Dienst tun, wird übrigens gemeinsam von den beiden großen christlichen Kirchen getragen. Wichtig sei es auch, so Lange weiter, Betroffene auf Fachleute zu verweisen. Wenn jemand Berührungsängste hat, kann man anbieten: Ich gehe mit dir gemeinsam dorthin.
Im Fall der Fälle ist die Telefonseelsorge rund um die Uhr unter der bundesweiten Rufnummer 0800-1110111 kostenlos erreichbar; auch vom Handy aus, dafür sorgen entsprechende Verträge mit den Mobilfunkbetreibern. Neben den Betroffenen können sich hier auch Angehörige und Freunde (anonym) beraten lassen.
Wertvolle Hilfe und Tipps – neben der bereits oben genannten GDS - bietet auch der 2001 gegründete Verein Freunde fürs Leben im Internet an. Das Nationale Suizidpräventionsprogramm erreichen Sie hierüber.
Speziell an junge Menschen, die Selbstmordgedanken hegen, richtet sich ein Angebot der Caritas. Auf www.u25-deutschland.de können Betroffene anonym um Hilfe bitten. Speziell ausgebildete Jugendliche berieten dann ehrenamtlich per E-Mail. Dabei leite eine erfahrene hauptamtliche Sozialpädagogin die jugendlichen Berater an, teilte die Caritas mit.
Ihr Webreporter