14.03.2014
Werke der Barmherzigkeit: Hungrige speisen
Brot und Liebe
Armen Menschen Brot geben ist wohl das klassischste aller Werke der Barmherzigkeit. Für Monika Schmidt reicht das aber nicht aus. Für sie gehören zu jedem Brot ein freundliches Wort, Aufmunterung und Zuwendung. Ohne das bleibt es nur ein halbes Werk.
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Zu jedem Brot ein Lächeln und ein gutes Wort: Das macht für Monika Schmidt Barmherzigkeit aus. Fotos: Wala |
Seit 17 Jahren engagiert sich Monika Schmidt beim Caritas-Mittagstisch in Wolfsburg. Erst in Küche, Lager und Ausgabe, dann als Mit-Leiterin, jetzt trägt sie die Verantwortung für das Angebot im Bonifatiushaus der Gemeinde St. Christophorus. „Da kommt schon einiges an Arbeit zusammen“, sagt die 67-Jährige. Ihr Mann Wolfgang ist immer dabei – und 50 weitere Ehrenamtliche.
Viele Hände werden gebraucht. Rein ehrenamtlich getragen, setzt sich der Mittagstisch seit 1992 für Wolfsburger in Not ein: im Sommer zweimal die Woche, im Winter täglich. Verteilt werden Essenspakete mit Nahrungsmitteln. Alles aus Spenden. Wenn es kalt draußen ist, bekommen die Besucher eine warme Mahlzeit: „Auch aus dem, was da ist“, erläutert Monika Schmidt.
Gut 200 Wolfsburger kommen zum Mittagstisch
Zum Essen kommen jeweils um die 50 Besucher, an Verteiltagen holen sich um die 60 Bedürftige Lebensmittel gegen einen kleinen, eher symbolischen Beitrag ab. Nicht immer dieselben: „Wir erreichen so um die 200 Leute“, schätzt Monika Schmidt. Und sie weiß, dass oft noch eine mehrköpfige Familie mit dranhängt.
Lebensmittel aus Supermärkten, Kantinen, Bäcker- und Fleischereien abholen, sortieren, packen, überlegen, was daraus gekocht werden kann, zubereiten, Geschirr spülen, wegräumen. Ein Jonglieren mit Mangel und Überfluss: „Manches Gemüse ist immer knapp, während wir zurzeit fast schon mehr Bratwürste haben als wir verarbeiten können.“ Saisonale Engpässe und Überangebot sind eine stetige Herausforderung an die Kreativität. Sowohl bei der Frage, was in den Topf, als auch bei der Entscheidung, was in die Tüte kommt.
Aber das ist für Monika Schmidt noch nicht alles: Nach dem Mittagstisch ruft das Büro: Lieferlisten, Abrechnungen, Gespräche mit Spendern, das Werben um Ehrenamtliche, Kontakte zu Stiftungen – all das füllt noch einen Teil des Nachmittags aus. Fast schon ein Vollzeitjob: „Ach, ich möchte halt nur helfen“, sagt sie. Ihr und ihrer Familie gehe es gut, da sei es doch selbstverständlich sich für andere zu engagieren.
Eigentlich habe sie „mal Büro gelernt“. Aber ausgefüllt hat sie das nicht – und arbeitete lieber 25 Jahre lang im katholischen Kinderheim Maria Goretti als Erzieherin, sorgte sich um Heimkinder. Später – die Einrichtung wurde aufgegeben – wechselte sie zur Caritas-Sozialstation im Stadtteil Detmerode. „Schöne Jahre“, meint die Mutter eines Sohnes und einer Tochter. Nebenbei fing sie mit einigen wenigen Stunden beim Mittagstisch an ...
Immer wieder fasst Monika Schmidt an das Kreuz, das sie um den Hals trägt. Es besteht aus einzelnen Rechtecken, die – je nach Betrachtung – ein großes oder mehrere kleine Kreuze ergeben. „Schönes Symbol, oder?“, fragt sie. Aus vielen kleinen Kreuzen erwachse ein großes, aus vielen kleinen Hilfsdiensten erwachsen Barmherzigkeit und Nächstenliebe: „Das ist doch das, was uns Christen ausmacht.“ Oder ausmachen sollte, fügt sie nach kurzem Überlegen hinzu.
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Ihr Elternhaus sei christlich gewesen: „Vor allem praktisch-christlich.“ Was Nächstenliebe wirklich heißt, habe sie durch ihre Mutter gelernt. „Ich bin in Berlin aufgewachsen, in den 1950er- Jahren“, erzählt sie. Schmalhans war damals Küchenmeister – wie in vielen anderen Familien auch: „Trotzdem hat sich meine Mutter um eine Nachbarin gekümmert, auch für sie Essen gekocht.“
Kartoffelschälen als Lektion in Sachen Barmherzigkeit: „Das wurde bei uns einfach gelebt, das ist wie eine zweite Haut, aus der ich nicht heraus kann – und auch nicht will.“ Diese Haut hilft ihr auch bei mancher Schattenseite der Barmherzigkeit. „Ja, ich bin auch schon verflucht worden“, berichtet Monika Schmidt – und lächelt im Nachhinein. Es gibt immer wieder Nutzer des Mittagstisches, die sich benachteiligt fühlen oder sich über den kleinen zu entrichtenden Obolus empören: „Wir haben halt nur eine bestimmte Menge an Lebensmitteln zu verteilen – und das wollen wir weitgehend gerecht tun.“
Zuwendung ist so wichtig wie das tägliche Brot
Doch solche Misstöne sind die Ausnahme: „Natürlich überwiegt die Dankbarkeit, keine Frage.“ Zumal das gesamte Team vom Mittagstisch nicht einfach nur Brot oder Suppe verteilen will: „Wir versuchen für jeden Besucher ein gutes Wort zu haben, ihm oder ihr zuzuhören.“ Zuwendung sei wohl genauso wichtig wie das tägliche Brot.
Zudem helfe sie auch eigene Grenzen im Kopf zu überwinden: „Ich hatte immer ein bisschen Angst vor den Punkern, die zu uns kommen.“ Junge Leute, bunte Haare, schräge Klamotten und nach außen hin patziger Ton: „Aber meistens steckt dahinter doch nur der Wunsch, so akzeptiert zu werden, wie man ist.“ Freches Auftreten ist da ganz schnell Geschichte.
Ein anderes Beispiel: Sie habe einen Mann beim Mittagstisch beobachtet, der von anderen gemieden wurde. Wohl wegen einer schweren Schuppenflechte. Sie habe sich mit ihm unterhalten und ihn zum Schluss einfach umarmt: „Auch zum Zeichen, dass hier alle willkommen sind.“ Mit kleinen Gesten könne viel erreicht werden: „Genau das zeigt uns doch gerade Papst Franziskus.“
Die Aufforderung des Heiligen Vaters, dass gerade Christen zu den Rändern der Gesellschaft gehen müssen, hält sie für das rechte Wort zu richtigen Zeit. Ihr Mann und sie bringen regelmäßig Lebensmittel zu einem städtischen Obdachlosenasyl.
„Die wenigsten von ihnen sind das, was wir unter Obdachlosen verstehen“, berichtet Monika Schmidt. Freiwillig lebe kaum einer auf der Straße: „Die meisten haben erst ihre Arbeit verloren, dann zerbrach die Ehe, dann mussten sie die Wohnung verlassen.“ Tragische Geschichten. Und eine weitere Erkenntnis: „Das kann uns alle treffen, das geht so schnell. Daran sollten wir gerade als Christen denken, wenn wir unüberlegt urteilen.“
Rüdiger Wala