14.11.2014
Das Ende des Schweigens
Es dauerte lang. 18 Jahre lang. Erst dann wurde Recht gesprochen und die Massenmörder der SS, die im Vernichtungslager Auschwitz gearbeitet hatten, mussten sich vor Gericht verantworten. Am 20. Dezember 1963 begann in Frankfurt der sogenannte Erste Auschwitzprozess. Eine ausgezeichnete Seite des Hessischen Rundfunks erinnert an diesen größten Strafprozess der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Es ist der 20. Dezember im Jahr 1963 und doch herrscht keine vorweihnachtliche Stimmung im Frankfurter Rathaus Römer. Der Anlass gibt es einfach nicht her. An diesem Tag beginnt dort der erste Ausschwitzprozess. Drei Jahre lang wird er dauern. Der Prozess in nüchternen Zahlen ausgedrückt: drei Richter, sechs Geschworene, vier Staatsanwälte, 19 Verteidiger, 22 Angeklagte, 360 Zeugen. Hinter den Zahlen: unfassbares, unvorstellbares Leid. Mit dem ersten Auschwitzprozess (am Ende wird es sechs Auschwitzprozesse geben) wird einer der entscheidenden Schritte gemacht auf dem – langsamen und steinigen – Weg der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik. Bis dahin war Auschwitz tabu. In der Öffentlichkeit redete man nicht über die nationalsozialistischen Verbrechen. Mit diesem Prozess sollte sich das ändern.
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Durch seine gute Gestaltung und die Aufteilung in Kapitel und Unterkapitel ist die Seite leicht und angenehm zu navigieren. |
Der Hessische Rundfunk hat über den ersten Frankfurter Auschwitzprozess einen sehenswerten Onlineauftritt unter dem Titel "Das Ende des Schweigens" gestaltet, der zu Recht prämiert worden ist. Inhaltlich überaus umfangreich und gestalterisch überzeugend und sehr übersichtlich.
Der Sport eines Täters
Unterteilt ist der Auftritt in vier Kapitel: „Das Verbrechen“, „Der Prozess“, „Frankfurt als Wendepunkt“ und „Auschwitz und wir“. Im ersten Kapitel sind es vor allem die Zeugenaussagen (als Audios und als Videos) der Überlebenden, die einen erschüttern. Wenn sie erzählen, wie sie von ihren Liebsten an der Rampe durch die SS-Ärzte getrennt wurden. Oder wenn ein Überlebender vom „Sport“ eines der Angeklagten spricht, der Ellenbogenschläge in die Gesichter der Inhaftierten verteilt, um sich fit zu halten. Die Dimensionen des Leids erhalten durch viele kurze Erzählungen und Geschichten traurige aber fast immer starke und kraftvolle Stimmen und Gesichter.
Daneben berichtet die Seite auch von den harten Fakten des Verfahrens. Es erklärt die rechtlichen Gründe, warum die Täter so vergleichsweise milde Urteile erhielten. Oder es erklärt die Bedeutung des Prozesses für die deutsche Nachkriegsgesellschaft.
Weil die Seite übersichtlich und durch zahlreiche Audios, Videos und Bilder sehr abwechslungsreich gestaltet ist, lohnt sich ein Besuch. Profis waren hier am Werk. Wer Zeit und noch mehr Interesse an den Zeugenaussagen von damals hat, sollte auch die Seite http://www.auschwitz-prozess.de/ anklicken. Hier finden sich seit einigen Monaten die Audiomitschnitte der damaligen Zeugenaussagen in kompletter Länge. In einem anderen Webreporter hatten wir die Seite auch schon vorgestellt.
Ihr Webreporter Daniel Gerber