04.07.2016

Das Kölner Odysseum inszeniert die berühmten Fresken aus der Sixitinischen Kapelle

Der andere Blick

Im Kölner Erlebnis- und Abenteuermuseum Odysseum sind auf 1200 Quadratmetern die Fresken der Sixtinischen Kapelle so inszeniert, wie kein Rombesucher sie je erleben kann: blicknah, auf Augenhöhe und mit viel Raum, um ihre Wirkung zu entfalten.

„Das Jüngste Gericht“ mal nicht in der Sixtinischen Kapelle, sondern in Köln.  Fotos: Museum

Ruhe. Das ist das Erste, das auffällt, sobald man durch die Tür der Ausstellungshalle tritt. Zarte Instrumentalklänge verbreiten eine meditative Atmosphäre, wie man sie in der Sixtinischen Kapelle wohl nur noch bei exklusiven und teuren Privatführungen erleben kann. Statt in die überbordende Farbenpracht der Fresken und die gewaltige Wirkung der rund 21 Meter hohen bemalten Kuppel der Sixtina regelrecht hineinzufallen, darf sich der Besucher in seinem ganz eigenen Tempo den unsterblichen Gestalten Michel­angelos nähern. Nichts lenkt ab von ihnen in diesem weitgehend schwarz ausgekleideten Raum.

Näher dran als je zuvor

„Der andere Blick“ heißt die Sonderausstellung im Odysseum. Das, was jährlich rund sechs Millionen Rom-Besucher anlockt, ist hier erstmals mit Muße und auf Augenhöhe zu genießen. Die fast originalgetreu großen Reproduktionen auf Stoff hängen entlang mehrerer großzügig bemessener Gänge. Fast jedes Bild, das Michel­angelo für die Sixtina schuf, ist ikonografisch in die Kunst- und Kulturgeschichte der Menschheit eingegangen. Hier hat nun jede der weltbekannten Gestalten trotz der Reihung Raum, für sich zu wirken.
Wenn man sieht, mit welcher Kraft und Liebe zum Detail Michelangelo  die biblischen und antiken Geschöpfe an Wände und Decke der Sixtina bannte, kann man sich kaum vorstellen, dass der damals 33-Jährige den Auftrag von Papst Julius II. erst einmal ablehnte. Lange wehrte sich der Künstler, der sich eher als Bildhauer sah, gegen die mehr oder minder druckvollen Avancen des Papstes – doch schließlich stimmte er zu. 1508 begannen die Arbeiten, 1512 wurden sie vollendet.

Es liegt nahe, dass sich der eigenwillige Künstler auch deshalb dem Papstwunsch beugte, weil Julius ihm Freiheit in der Gestaltung zusagte. Und die nutzte Michel­angelo weidlich aus. Er tat dabei auch das Undenkbare und malte Gott – mit nacktem Hintern. Der große Schöpfer hat soeben Sonne und Mond erschaffen und lässt nun Pflanzen und Bäume auf der Erde sprießen. Selbstvergessen im Schöpfungsakt, so erklärt es der Audioguide zur Ausstellung, achtet Gott gar nicht darauf, dass dabei sein langes Gewand hochgerutscht ist und seinen Po entblößt. Die eigene, auch für Erwachsene lohnenswerte Audio-Führung für Kinder hat dafür eine ganz wundervolle Erklärung: „Michelangelo zeigt uns, dass Gott genau so ist wie wir und dass wir keine Angst vor ihm haben müssen.“
 

Die Fingerhaltung spricht Bände: Gott strengt sich an, Adam gibt sich lässig. Das wohl berühmteste Detail aus der „Erschaffung der Welt“.

Die Erschaffung der Welt und der ersten Menschen sowie die Sintflut und Noahs Arche nehmen den größten Raum ein in der Kölner Ausstellung. Der Besucher kann die sonst unerreichbar fernen Fresken bequem und ohne Nackenstarre betrachten. Da fallen einem viel mehr Nuancen und Details auf. Fast jeder kennt den berühmten Fingerzeig Gottes, mit dem er beinahe die Fingerspitze des neu geschaffenen Adam berührt. Die Kräfte scheinen hier recht ungleich verteilt zu sein: Während Gott sich streckt und anstrengt, sein Geschöpf zu erreichen, wartet Adam einfach ab und hält Gottvater seinen Finger eher lässig entgegen.

Eigentlich eine ungeliebte Arbeit

Nicht nur hier lohnt ein Wechsel zwischen dem Erwachsenen- und dem Kinderguide; Letzterer lenkt den Blick oft viel unvermittelter und klarer auf die interessanten Details. Ersterer bietet den Vorteil, dass hier sozusagen Michelangelo selbst erzählt. So berichtet er auch, wie er zu seiner eigenen Verwunderung zu der ungeliebten Arbeit in der Sixtina zurückkehrte. Zwischen 1534 und 1541 entstand hier auf Geheiß von Papst Clemens VII. und nach dessen Tod unter der Herrschaft von Papst Paul III. „Das Jüngste Gericht“. Auf 180 Quadratmetern erhebt es sich an der Wand über dem Altar der Kapelle. Ganz so groß ist es in Köln natürlich nicht zu sehen – aber wer sich Zeit nimmt, kann hier endlich einmal die vielen kleinen, oft hintergründigen Szenen in dem Werk entdecken, das rund 400 Figuren birgt.

Wie Michelangelo mit dem menschlichen Körper arbeitete und wie er aus damals gerade mal drei zu Verfügung stehenden Farben so eine überbordende Bildwelt mit unzählig scheinenden Farben schuf, wie sie die Sixtinische Kapelle prägt – das lässt sich in Köln studieren. Im Rahmenprogramm zeigen Freskenmaler die alte Technik, die Michelangelo damals alle körperliche Kraft abverlangte, weil er, oft liegend, über Kopf arbeiten musste.

Und so verfluchte der Florentiner Künstler das große Werk, das bis heute als eines der eindrucksvollsten der Welt gilt – und zu Michaelangelos unsterblichem Ruhm beitrug.

„Der andere Blick“ wird bis zum 23. Oktober im Odysseum, Köln, gezeigt (Corintostraße 1, ICE-Halt in Köln-Deutz). Flankiert werden Michelangelos Werke von den Gemälden weiterer Künstler. Geöffnet: Di-Fr, 9-18 Uhr; Sa, So und Feiertage, 10-19 Uhr. Informationen im Internet: www.michelangelo-derandereblick.de

Hildegard Mathies

Kommentare

Die Fakten: Michelangelo - Der andere Blick. Transparenz in der AWC Ausstellung im Odysseum Köln: Michelangelo - Der andere Blick. Ingo Langner, der Ausstellungskurator, sagte am 15.6.16 in einem Interview bei Dom Radio: “... wir haben jetzt diese Bilder von der Decke geholt … ja ist ja eine Länge von ungefähr 9 Metern”, die Pressemitteilung der AWC Ausstellung im Odysseum vermerkt: “...In nahezu originalgetreuer Größe werden die Deckenfresken wortwörtlich auf die Erde geholt”. Die Fakten: die Fresken der Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle sind z.B. über eine Länge von 30 Meter gemalt worden. Beide Informationen stimmen nicht, weder die 9 Meter von Langner, noch weniger die AWC Presse Aussage nach der die Fresken in “nahezu originalgetreuer Größe” zu sehen sind. Ingo Langner, der Ausstellungskurator, sagte am 15.6.16 in einem Interview bei Dom Radio: “Ja, das haben wir wirklich geschafft. Es ist die komplette Decke”. Die Fakten: die 14 halbkreisförmigen Lünetten mit den Vorfahren von Christi fehlen gänzlich in der Ausstellung. Das entspricht über einem Viertel des gesamten Sixtinischen Kapelle Decken-Gemälde von Michelangelo. Fazit: die Fresken der Schöpfungsgeschichte sind in der Ausstellung wesentlich kleiner als im Vatikan und in der Pressemitteilung genannt. Auch fehlt über ein Viertel des Deckengemäldes gänzlich.  Der Eintritt Preis von 16 Euro stimmt immer noch.