07.03.2014

Die sieben Werke der Barmherzigkeit: Tote bestatten

Der Seelentröster

Am Ende begegnen wir ihm todsicher alle – auch wenn es uns, sind wir die unmittelbar Betroffenen, am wenigsten schert: Im Sterbefall wird ein Beerdigungsunternehmer beauftragt, uns unter die Erde zu bringen. Eigentlich eine ganz normale Sache. Aber auch ein Werk der Barmherzigkeit.

Zwischen Eichensarg und Urne: Uwe Böger ist Bestatter. „Barmherzig ist nicht, was ich mache, sondern wie ich es mache.“ Fotos: Stefan Branahl

Wenn nichts mehr zu machen war, bleibt noch viel zu tun. Zum Beispiel für Uwe Böger. Der 57-Jährige ist Bestatter, einer von knapp 4000 in Deutschland. Mehrmals in der Woche lenkt er seinen Leichenwagen durch die Rintelner Altstadt und kann sich sicher sein, dass ihm die Blicke aufmerksam folgen: Wen mag er jetzt wieder holen?An den Tod wird er sich nicht gewöhnen

Vor über 30 Jahren hat Uwe Böger, gelernter Fliesenleger, in das alteingesessene Familienunternehmen eingeheiratet. Seitdem wird er täglich mit dem konfrontiert, womit die allermeisten Menschen am liebsten gar nichts zu tun haben möchten: mit dem Tod. Er hat Nachbarn, Bekannte und Freunde zurechtgemacht und in den Sarg gelegt. Das ist sein Beruf, damit verdient er sein Geld. Aber daran gewöhnen wird er sich wohl nie.

Böger ist ein echtes Schwergewicht, einer, von dem man glaubt, ihn könne nichts aus der Fassung bringen. Dabei ist ihm gerade in der ersten Zeit der Umgang mit den Toten im Sinne des Wortes auf den Magen geschlagen. Wenn er sich regelmäßig aufs Fahrrad setzt, dann vor allem, um den Kopf wieder freizukriegen.

Uwe Böger blickt immer auch hinter die gutbürgerlichen Fassaden. Längst hat er ein Gespür dafür, wann Harmonie nur zur Schau gestellt ist. „Spätestens wenn es ums Geld geht, merke ich, ob die Hinterbliebenen wirklich um einen Verstorbenen trauern, oder ob er einfach nur entsorgt werden soll. Das macht mich dann richtig wütend.“

Mehr und mehr übernehmen Bestatter heute die Rolle des Seelsorgers  vor allem beim Trauergespräch.

Früher war der Pfarrer der erste Ansprechpartner

Zu schaffen macht ihm, wie sehr sich der Umgang mit dem Tod in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Eins von vielen Beispielen, an denen er das festmacht: „Wenn früher jemand starb, war der Pfarrer der erste Ansprechpartner. Heute sind wir Bestatter die Ersten vor Ort und werden mit dem ganzen Leid konfrontiert.“ In solchen Momenten ist Uwe Böger der Seelentröster – „aus echter Überzeugung. Denn das kann man nicht spielen.“

Ist er gerade in diesen Situationen barmherzig? Ein großes Wort ist das für Böger. Er würde es nicht benutzen. „Aber manchmal sagen mir Angehörige später, dass ich geholfen habe, ihren Schmerz zu mildern. Vielleicht ist ja genau das barmherzig?“

Stefan Branahl