20.07.2012

Der Pfarrgarten als Schmuckstück

Die Blumenfee von der Bronx

Ein gemütlicher Pfarrgarten ist das Schmuckstück jeder Gemeinde. Gut, wenn da jemand ist, der einen „grünen Daumen“ hat und sich mit ganzer Kraft für die Pflege dieses Kleinods einsetzt – so wie Erika Smolorz (73) im Kirchort St. Franziskus (Gemeinde Heilig Geist) in Hannover-Vahrenheide.

Erika Smolorz beschneidet die Rosen hinter der Kirche. Ihren eigenen Schrebergarten hat sie aufgegeben, aber viele Pflanzen daraus auf das Grundstück rund um die Kirche St. Franziskus gepflanzt. Foto: Tillo Nestmann
Erika Smolorz beschneidet die Rosen hinter der Kirche. Ihren eigenen Schrebergarten hat sie aufgegeben, aber viele Pflanzen daraus auf das Grundstück rund um die Kirche St. Franziskus gepflanzt. Fotos: Tillo Nestmann

Im Vorgarten blühen weiße Rosen mit dazwischen gepflanztem Lavendel. Von drei Fahnenmasten flattern weißgelbe Kirchenfahnen mit Papstkrone und gekreuzten Schlüsseln, dem Wappen des Vatikans. Aber hier ist keine Außenstelle der päpstlichen Nuntiatur. Hier steht die katholische Kirche St. Franziskus in Hannovers Brennpunktviertel Vahrenheide, von Bewohnern anderer Stadtteile auch eher abfällig „die Bronx“ genannt. Massive, etwa drei Meter hohe Stahltore mit Zacken auf den Oberkanten schließen den Zugang zum eigentlichen Pfarrgarten ab. Dennoch wurde im vergangenen Jahr wieder ein Fenster des Pfarrheims aufgehebelt und Schubladen des Schankraums aufgebrochen.

Aber das ist nur die eine Seite des Kirchortes der „Bronx“. Innerhalb des von Kirche, Stahltoren, Pfarrerwohnung und Pfarrheim abgeschlossenen Karrees liegt der Pfarrgarten. In der Mitte befindet sich eine vertiefte Rasenfläche, wo Erstkommunionkinder und Firmlinge nach der kirchlichen Feier Aufstellung zu einem Gruppenfoto nehmen und wo bei den Gemeindefesten das Weinzelt seinen Platz findet. Die Rasenfläche wird umrahmt von einem Platz aus roten Klinkern, um den sich wiederum Beete mit Ziersträuchern und Blumen legen: Oleander, Stockrosen, Sonnenblumen, Dahlien, Lilien, Phlox, Begonien, Fuchsschwänze ...

Blumenpracht statt Strauchhecke

Fast alles, was hier an Sträu­chern steht, stammt aus dem Schrebergarten, den Erika Smolorz vor Jahren aufgegeben hat. Auch die Samen der meisten Blumen stammen von dort. Ursprünglich, vor elf Jahren, stand rings um den Klinkerplatz nur eine Strauchhecke. Diese wurde von einer Fremdfirma geschnitten. Dass alles so viel schöner wurde, liegt an einer Notlage. Als Pfarrer Arnold Richter vor elf Jahren die Gemeinde St. Franziskus übernahm, hatte sie Schulden, einen hohen Sanierungsbedarf, und der Küster hatte gekündigt. Drei Oberschlesier waren bereit, ehrenamtlich die Aufgaben des Küsters und weitere Aufgaben zu übernehmen.

Zu ihnen zählte Erika Smolorz, die als zusätzliche Aufgabe die Arbeit im Pfarrgarten übernommen hat. Die Hecke wurde durch jugendliche Schwerenöter gerodet, die dabei ihre Sozialstunden ableisteten. Erika Smolorz bepflanzte die nun freie Fläche mit Sträuchern, Stauden und Blumenzwiebeln. Mit der Rodung der Hecke entfielen die Kosten für den Heckenschnitt.

In den vergangenen elf Jahren wurde der Pfarrgarten immer schöner. Der Volleyballplatz hinter dem Pfarrheim erhielt einen Tartanboden. Unter einem Pavillonzelt können sich in der warmen Jahreszeit Kleingruppen zum Austausch treffen. Vor fünf Jahren wurde von Bischof Norbert Trelle eine Pietá eingeweiht, die aus der früheren Altarplatte der Kapelle gehauen worden war. Diese Pietá ist inzwischen überdacht und mit Blumen geschmückt. Hier finden die Maiandachten statt, und hierhin, vor die Pietá, können Trauernde vor dem Requiem den Sarg mit ihrem Verstorbenen rollen, hier können sie auch noch einmal den Sargdeckel öffnen, um Abschied zu nehmen.

Dass dies alles möglich ist und nicht von Unkraut überwuchert wird, verdankt St. Franziskus dem nahezu täglichen Einsatz von Erika Smolorz. Dabei fällt ihr die Arbeit nicht leicht. Die 73-Jährige hat drei Hüftoperationen hinter sich und ihre Hände sind von der Gicht verkrümmt. Jugendliche Straftäter, die am Kirchort ihre Sozialstunden ableisten, sind eigentlich nur fürs Mooskratzen einsetzbar. „Die verwechseln Blumen und Unkraut und sind selbst zum Blumengießen nicht zu gebrauchen. Die zertrampeln alles“, sagt Erika Smolorz, die auch betont: „Blumen muss man lieben. Sonst klappt das nicht!“

„Für den Herrgott mache ich diese Arbeit gerne“

Es ist niemand da, der Erika Smolorz‘ Aufgabe übernehmen möchte, und sie will sie auch nicht aufgeben. Stolz auf die 20 Kilo, die sie in den letzten Jahren durch Gartenarbeit und bewusste Ernährung abgenommen hat, sagt sie: „Und was mache ich dann, wenn ich nicht mehr im Garten arbeite? Dann sitze ich auf dem Sofa vor dem Fernseher, futtere Chips und werde rund und dick. Nein, solange ich‘s noch schaffe, will ich die Arbeit gern für den Herrgott tun. Und wenn das nicht mehr geht, dann soll er mich bitte bald holen.“

Tillo Nestmann