06.06.2016

Orgelmuseum in Borgentreich

Entdeckungsreise rund um die Königin der Instrumente

Woanders mögen Museumswärter mit strengem Blick da­rauf achten, dass niemand den Ausstellungsobjekten zu nahe kommt. Hier das Gegenteil: Anfassen ist ausdrücklich erlaubt. Besucher des Orgelmuseums in Borgentreich können Tasten drücken, Register ziehen und Pedale treten – ganz nach dem Motto „Learning by Doing“.

Wie oft wird der Organist in die Tasten der kleinen Orgel gegriffen, wie viele Lieder begleitet haben? Einfache Instrumente mit wenigen Registern und Oktaven mussten gerade in Dorfkirchen genügen. Fotos: Stefan Branahl

Warum lässt sich mit einer mechanischen Traktur das Spiel des Organisten hörbar beeinflussen, während der Vorteil der elektrischen Traktur in der stets leicht gängigen Spielweise liegt? Zugegeben, nicht jeden brachte diese Frage bisher unbedingt um den Schlaf. Aber zumindest ist es auch für den musikalischen Laien interessant, verschiedene Knöpfe und Hebel in Bewegung zu setzen und dann zu hören, wie unterschiedlich eine Orgel klingen kann. Das ist ja das Schöne hier im früheren Rathaus der kleinen Stadt: Ausgestellt werden nicht möglichst viele verschiedene Instrumente; vielmehr geht es darum, mit einem didaktischen Konzept allen Interessierten zu erklären, wie eine Orgel funktioniert, warum sie ihren durchaus unterschiedlichen Klang hat, wie sie gebaut wird. Und statt langer theoretischer Abhandlungen geht es in den sieben Ausstellungsräumen in der Regel ganz praktisch zu.

Vor allem Tischlerarbeiten fallen beim Bau einer Orgel an – wobei wenige spezielle Handwerkszeuge schon genügen. Einige sind in der Ausstellung zu sehen.

So eine Orgel ist schon ein äußerst komplexes Instrument. Und zwar selbst in der einfachen Ausführung, die in der Regel für kleine Dorfkirchen zu reichen hatte. Trotzdem lässt sich auch an ihrem Beispiel erklären, wie Wippfedertremulanten funktionieren, wie allein die Form der Orgelpfeife den Ton beeinflusst – ob sie klingt wie eine Oboe oder eine Trompete –,  oder auch, wie die Luft in die Pfeifen kommt. Wobei manch alt gedienter Messdiener mit Wehmut vor dem riesigen Blasebalg stehen dürfte und sich erinnern wird, wie er selbst noch als Junge auf der Empore dafür gesorgt hat, dass die Orgel zum Klingen gebracht werden konnte. Eine durchaus schweißtreibende Arbeit.

Bereits dieser kleinen Orgel lassen sich  Melodien entlocken – allerdings nur, wenn der Spieler Hilfe hat: Der Blasebalg muss nämlich manuell betätigt werden.

Erstaunen dürfte, mit wie wenig Handwerkszeug Orgelbauer ihren Beruf ausüben können. Ein Teil davon, überwiegend historische Ziehklingen, Reißhaken und Zirkel, ist ausgestellt. Auch wie aus dünn gewalztem Zinn und Blei die Pfeifen selbst gedreht werden, wird demonstriert.

Dass mit den klassischen Mitteln des Orgelbaus nicht nur Instrumente für die Kirche entstehen, wird ebenso deutlich: Am Ende des Rundgangs kann der Besucher ein Vogelkonzert in Gang setzen – einschließlich Kuckucksruf und Nachtigall.

Stefan Branahl

 

Anfahrt: Nach Borgentreich kommt man über Höxter (Weser). Das Museum selbst befindet sich unmittelbar gegenüber der Kirche. Öffnungszeiten sind donnerstags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr, samtags auch von 10 bis 12 Uhr. Führungen lassen sich auch außerhalb dieser Zeiten mit  Museumsleiter Jörg Kraemer vereinbaren. Telefonischer Kontakt: 05 643/339. Der Eintritt kostet 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro.

Die Barockorgel der katholischen Kirche St. Johannes von Borgentreich ist unter Kennern in ganz Europa bekannt: Sie ist die größte erhaltene Springladenorgel der Welt, wurde im 17. Jahrhundert für die Klosterkirche Dahlheim bei Paderborn gebaut und nach der Säkularisierung des Klosters nach Borgentreich gebracht. Vor ein paar Jahren wurde die Orgel aufwendig restauriert.