15.01.2014
Kommentar
Ich bin in der Pflicht
Von Daniel Gerber
„Weit weg ist näher, als du denkst“ ist das Motto der diesjährigen Jahreskampagne der Caritas. Es geht darum, dass jeder nachhaltiger konsumieren soll, denn in einer globalisierten Welt hängt eben alles irgendwie zusammen. Oder wie Caritas-Präsident Neher sagt: Die Kampagne soll „dafür sensibilisieren, dass jeder Einzelne durch seine Entscheidungen dazu beitragen kann, die Welt ein bisschen sozialer zu machen“. Die „Welt ein bisschen sozialer zu machen“ hört sich – zugegeben – überaus pathetisch an. Das ist geradezu ein totgebrauchter Allgemeinsatz. Schade. Denn von seinem Wahrheitsgehalt hat er nichts eingebüßt. Im Gegenteil. Wir Verbraucher haben heute Macht. Wir können mit unserem Konsum etwas verändern. Und ja, wir können die Welt auch ein bisschen besser machen. Machen wir es?
Ich fange mal bei mir an. Am besten mit meinen guten Kon-sumeigenschaften. Geht schneller. Kaffee und Espresso kaufe ich nur den fair gehandelten. Da kann ich Ihnen ganz genau sagen, wo der im Supermarkt steht. Beim fair gehandelten Orangensaft weiß ich das auch. Er kostet zwar etwas mehr, aber das zahle ich gerne. Er schmeckt sehr lecker. Genauso wie das fair gehandelte Eis. Unglaublich gut ist das. Und Erfolg, Erfolg: Neulich auf der Abrechung der Stadtwerke konnte ich feststellen, das mein Energieverbrauch „sehr gut“, weil niedrig war. Das sagte jedenfalls die Tabelle im Anhang der Abrechnung.
Ich habe aber noch nie fair gehandelte Kleider gekauft. Ich habe auch noch nie auf das Etikett geschaut, um zu überprüfen, wo mein Pullover hergestellt wurde. Ich möchte auch nicht wissen, wie oft ich schon das Fleisch von Tieren gegessen habe – ob aus dem Supermarkt oder im Restaurant –, die unter schrecklichsten Bedingungen ihr kurzes und grausames Erdendasein gefristet haben. Und ich achte beim Handyeinkauf auch nicht darauf, wie es hergestellt wurde.
Ich bin in der Pflicht. Das weiß ich und will es in Zukunft besser machen (nach dem Schreiben dieser Zeilen mehr denn je). Aber auch die Politik ist in der Pflicht. Denn sie kann, nein muss uns Verbrauchern mehr helfen. Beispielsweise, indem sie Rahmenbedingungen schafft, die uns einen nachhaltigen Verbrauch erleichtern. Durch bessere Kennzeichnungspflichten auf Produkten oder indem Transparenz bei Herstellern gefördert wird.
Und ganz klar: Auch die Unternehmen sind in der Pflicht. Warum gehen sie nicht mal einen Schritt voraus, und produzieren transparent, nachhaltig und fair, bevor der Druck der Verbraucher zu groß geworden ist?