17.08.2017
Kirchenhinweis tief im Stollen
Die Marktkirche zum Heiligen Geist ist die größte Holzkirche Deutschlands. Noch heute erinnert das Gotteshaus mit seinen barocken Schnitzereien an Reichtum und Macht der Bergstadt Clausthal-Zellerfeld.
Zellerfeld ist die größte Holzkirche Deutschlands.
Ihre blaue Farbe soll an den Sockel des Thrones
Gottes erinnern, den der Prophet Ezechiel mit
einem Saphir vergleicht. | Fotos: Edmund Deppe
Auf den ersten Blick ist Clausthal-Zellerfeld eine beschauliche Stadt mitten im Harz. Knapp 16 000 Einwohner hat sie, 4800 davon Studenten. Den weltweit guten Ruf hat die Technische Universität nicht erst aktuell. Er reicht noch weit vor die Zeit der Gründung der Bergakademie 1864 durch König Georg V. von Hannover. Die Bergleute aus Clausthal waren schon im 17. Jahrhundert überall begehrt, wo Bergbau betrieben wurde. Geht doch auf sie die Erfindung des Stahlseils oder der Fahrkunst zurück, eine Erleichterung, um schnell in die Tiefen des Bergwerks zu gelangen.
auf eng verbunden.
Auch wenn es hier keinen Bergbau mehr gibt, trifft man überall in der Stadt auf Zeugnisse, wie eng das Leben einst mit dem Bergbau verflochten war. Ohne ihn würde es auch nicht die evangelische Marktkirche zum Heiligen Geist geben – in direkter Nachbarschaft zum Oberbergamt.
Ganz eng mit der Holzkirche verbunden
Schon seit seiner frühen Kindheit ist Bernhard Gisevius mit dieser größten Holzkirche Deutschlands verbunden. „Das erste Mal richtig bewusst erlebt habe ich die Kirche Weihnachten 1945 als fünfjähriger Knirps. Und seitdem hat sie mich nicht mehr losgelassen“, sagt er und erzählt von seiner Kirche.
Ihre eigentliche Geschichte beginnt mit dem großen Stadtbrand am 20. September 1634. „Für die Menschen hier war das eine Katastrophe. Neben der alten Kirche verbrannten 162 Häuser – samt den eingelagerten Vorräten für den nahenden Winter. Das muss ganz schön hart gewesen sein.“ Mit dem Wiederaufbau ließ man sich Zeit, wich in die extra neugebaute Friedhofskirche aus. Während sie als Volks- und Predigtkirche dienen sollte, plante die High Society der Stadt mit der Marktkirche eine Grabeskirche für sich.
katholische Schnitzer Andreas Gröber
aus Osterode angefertigt. Er hat die
theologischen Vorgaben des General-
superintendenten Volsfeth umgesetzt.
Für die finanziellen Mittel sorgte
der Oberbergmeister Georg Illing.
„Wo heute die Kirchenbänke stehen, war früher ein freier Raum für die Grabliegen“, erzählt Gisevius. Und Geld spielte beim Kirchbau keine Rolle. Deckte doch Clausthal allein 35 Prozent des Steuereinkommens des Königreichs Hannover. „Wenn man so will, haben nicht nur Ingenieure aus Clausthal die Herrenhäuser Gärten mitgebaut, sondern Clausthal hat sie auch bezahlt“, sagt Gisevius lächelnd. Und: „Die Kirche war eben auch ein gesellschaftliches Aushängeschild, man wollte zeigen, wer man ist. Doch gleichzeitig waren die Menschen hier sehr fromm.“
Symbolik und biblische Bilder
Jeder Milimeter, erklärt der Fachmann, ist mit Bibelstellen unterlegt. Die heutige Winterkirche – ein durch Glas abgeteilter, separat heizbarer Gottesdienstraum – im Eingangsbereich war sozusagen als Vorhof des Tempels konzipiert. „Von hier zieht man durch das Mittelteil zum Heiligtum, zum Altar.“ Gisevius schwärmt von der Symbolträchtigkeit der Kirche. „Sie finden hier alles: Raum- und Zahlensymbolik, Formen- und Farbsymbolik, Trinitätssymbolik, Bild- und Lichtsymbolik.“ Und natürlich darf der Bergbau nicht fehlen.
weist in die Tiefe. Dort erinnert
eine Tafel an das Haus Gottes.
„Das Ausgangsmaß – wie übrigens in ganz Clausthal – war beim Kirchbau das alte Bergmannsmaß, ein Lachter, also 1,92 Meter. So ist der Turm bis zur Traufe genau vier Lachter breit.“
Viel Zeit hat Gisevius in der Kirche verbracht: gemessen, Zeichnungen angefertigt, gerechnet und festgestellt: „Trotz Um- und Erweiterungsbauten ist noch gut zu erkennen: In ihrer Urform ist die Kirche ein Beispiel für Lust an Symbolik. Da finden sich Quadrate und Achtecke, Symbol für Gottvater. Da gibt es gleichseitige Dreiecke mit 60°-Winkeln, Symbol für Christus, und andere mit 30°-Winkeln für den Heiligen Geist.“
Im Altarraum spiegelt sich das Leben Jesu wider. Vom Verkündungsengel an der Decke über das Taufbecken mit der Taufe Jesu durch Johannes bis hin zu Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung im Altaraufbau.
Fragt man Bernhard Gisevius nach seinem Lieblingsplatz in der Marktkirche, muss er nicht lange überlegen. „In der Nähe des Kronleuchters, sodass ich den Altarraum und ihn gut sehen kann“, sagt er. Denn der Kronleuchter bildet einen zentralen Punkt des Gotteshauses. Die Weltkugel mit dem brennenden Dornbusch, der nach oben hin eine Dornenkrone bildet, weist mit einer Art Spitze senkrecht nach unten. „Da geht in 300 Meter Tiefe der Georgsstollen entlang. Dort erinnert ein Schild die Bergleute an die Kirche über ihnen: „Da steht: 152 3/4 Lachter unter dem Hause Gottes am Markt.“
Noch einmal zeigt sich: Leben, Kirche und Bergbau gehören hier in Clausthal eng zusammen.
Edmund Deppe