18.02.2016

Im Roemer- und Pelizaeus-Museum dreht sich alles um Mumien

Lebendig für die Ewigkeit

In der Ausstellung "Mumien der Welt" in Hildesheim geht es um wissenschaftliche Forschung und die Präsentation von Mumien. Ein paar Fragen aber bleiben.

Es ist ein anrührendes Bild: Da liegt das Baby und hat den Kopf an die Mutter gelehnt. Beide tragen ein weißes Kleid und Hauben auf dem Kopf. Sie kuscheln sich aneinander und sind tot. So tot, wie es eben geht. Ihre Überreste sind rund 250 Jahre alt, aber gut erhalten. Sie erzählen Geschichte, anschaulich, abschreckend, faszinierend.

Die Leichname der Teréza Borsodi und ihrem Baby gehören wohl zu den bemerkenswertesten, wenn auch nicht spektakulärsten Objekten, die derzeit im Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum in der Ausstellung „Mumien der Welt“ zu sehen sind. Es geht um Tod und Auferstehung und um alles, was sich sonst noch um dieses Thema rankt. Denn dieser Gedanke zieht sich durch alle Ausstellungsräume:  Wäre da nicht etwas, was wie auch immer Raum und Zeit übersteht, gäbe es diese Mumien nicht.
 

Tote Menschen zeigt das Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum. Die Ausstellung ist wissenschaftlich fundiert und es dreht sich vor allem um Mumien, haltbar gemachte Leichen also. Foto: Stefan Branahl

Die Herrscher wurden für die Ewigkeit bewahrt

Der Mensch stirbt. Das ist nun mal so. Dagegen sträubt er sich, seit er klar denken kann. Wie wäre es also, den vergänglichen Körper für alle Zeit zu bewahren? Bekannt für ihre Lösungen waren die Ägypter: Sie mumifizierten ihre Toten, wenn sie denn einen gewissen Statuts hatten. Das niedere Volk ging den Weg des Irdischen, aber die Herrscher wurden mit allerlei Tinkturen ausgespritzt und in Kräutern eingelegt.

Das ist weitgehend bekannt und nichts anderes erwartet der Besucher, wenn er in eine Mumien-Ausstellung eines Museums geht, das sich auf ägyptische Altgeschichte spezialisisiert hat. Dem wird entsprochen: Weltweit erstmals führt die Hildesheimer Ausstellung Repräsentanten aus allen Epochen der ägyptischen Geschichte vom Alten Reich bis in die koptische Zeit zusammen,  einem Zeitraum von etwa 2700 vor bis Ende des 7. Jahrhunderts nach Christus. Am Beispiel dieser sieben Mumien bekommt der Besucher einen einzigartigen Überblick über die unterschiedlichen Traditionen und die Technik der Mumifizierung.

Aber was haben Nonnen aus der ungarischen Dominikanerkirche von Vác in dieser Ausstellung zu suchen? Sie waren weder von Adel, hatten nie einen Thron bestiegen, noch waren sie in irgendeiner Form in besonderer Weise in Erscheinung getreten. Vielmehr sind sie ein typisches Beispiel dafür, dass Mumien bis heute die Wissenschaft beschäftigen: Sie gehören zu insgesamt 265 Leichnamen, die in der Gruft einer Kirche begraben waren. Bei Sanierungsarbeiten 1994 wurden sie entdeckt, geborgen und ins Ungarische Museum für Naturkunde zum Zwecke der Untersuchung gebracht. Wichtigste Erkenntnis: Zwei Drittel der Toten starben an Tuberkulose, bei Untersuchungen im Hildesheimer Bernward Krankenhaus war der Erreger noch immer nachweisbar. Das hört sich für den Laien wenig spannend an, Fachleute allerdings entwickeln daraus eine Evolution des Bakteriums, das jetzt intensiv erforscht werden kann. So sind die Mumien von Vác zugleich ein wunderbares Beispiel für die enorme Aussagekraft und Bedeutung der Mumien, die weit über die historische Forschung hinausgeht.

Zwischen Moorleichen und Selbstmumifizierung

Zu sehen ist im Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum die größte Ausstellung dieser Art, die bisher in Deutschland gezeigt worden ist. Rund 200 Exponate gewähren Einblick in die weltweite Praxis, Verstorbene durch Konservierung zu bewahren: vom Totenkult der alten Ägypter über Moorleichen und südamerikanische Mumienbündel bis hin zu asiatischer Selbstmumifizierung. Zu den Höhepunkten gehören die sterblichen Überreste einer Frau aus der steinzeitlichen Guanchen-Kultur von den Kanarischen Inseln, eine Leihgabe der Göttinger Universität. Weltweit sind nur 40 dieser Mumien bekannt. Die aktuellen Untersuchungen ergaben, dass die Frau zwischen 30 und 40 Jahre alt war, als sie starb. Ungewöhnlich: Die Organe blieben im Körper. Üblich war zur besseren Konservierung der Leichen, Organe wie etwa das Gehirn mit einem Haken durch die Nase herauszuziehen.

So wurde das beispielsweise vorgenommen bei einer ägyptischen Kindermumie, die aus der Zeit um die Geburt Christi stammt. Sie gehört zu einer der herausragenden Mumien überhaupt, sagt Kurator Oliver Gauert. Bei der Konservierung wurde ein fehlender Unterarm – vermutlich durch  den Biss eines Raubtiers abgetrennt – durch den Knochen eines Erwachsenen ersetzt. „Das ist schon ein einmaliges Beispiel postmortaler Prothetik“, sagt Gauert mit Blick auf diese Mumie.

Im Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum werden Tote ausgesstellt. Das ist nun mal so, Wissenschaft hin oder her. Aber darf man das? Nein, haben Kritiker bereits im Vorfeld gesagt. „Wir weisen entsprechende Argumente nicht von der Hand“, sagt Museumsleiterin Regine Schulz. „Aber in unserer Ausstelllung wahren wir in jedem Fall den respektvollen Umgang mit den Verstorbenen.“ Einen Vergleich mit den umstrittenen „Körperwelten“ des Günter von Hagen will Frau Schulz jedenfalls nicht zulassen. Warum eigentlich nicht? Auch Mumien waren einmal willkommener Anlass für smalltalk beim Kaffeekränzchen. Das war, als wohlhabende Europäer die sterblichen Überreste aus den Gräbern klauen ließen, um sich daheim einen angenehmen Grusel zu verschaffen. Der Fluch der Mumie ereilte sie ja nur in filmreifen Ausnahmemomenten …

Von Stefan Branahl

 

Die Ausstellung „Mumien der Welt“ ist bis zum 28. August 2016 im Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim (Zum Steine 1-2) zu sehen. Informationen im Internet: rpmuseum.de