13.02.2014

Nachgefragt zur Vatikanumfrage über Ehe und Familie

Nicht bevormunden – unterstützen!

Ehe und Familie: Kaum etwas liegt Katholiken mehr am Herzen. Wie spiegelt sich diese Wertschätzung in der Vatikan-Umfrage? Und im Licht der Lehre der Kirche? Nachgefragt bei der Vorsitzenden des Familienbundes der Katholiken im Bistum Hildesheim, Dinah Stollwerck-Bauer.

Dinah Stollwerck-Bauer ist Vorsitzende
des Familienbundes der Diözese
Hildesheim. Foto: Privat

Egal ob Empfängnisverhütung oder Scheidung: In vielen Fragen teilen die Gläubigen die Ansichten der Kirche nicht. Ist die Lehre der Kirche lebensfern?

Die Umfrage zeigt für mich eine deutliche Veränderung in unseren gesellschaftspolitischen Betrachtungen. Liberalität und Gleichstellung wird überall praktiziert und aus meiner Einschätzung auch als Akt menschlicher Nächstenliebe und Respekts verstanden. Unser deutsches Verständnis ist eine sehr aufgeklärte und davon geprägte Linie. Daher ist es verständlich, dass wir hier eine Veränderung der kirchlichen Haltung ersehnen.

Sie sprechen von einem „deutschen Verständnis“ ...

Ob das als Modell für die gesamte katholische Kirche gelten kann, sehe ich kritisch, denn unsere Lebensmodelle gelten nicht überall. Die Kirche wirkt auf der ganzen Welt. Das schließt eine Fülle von Lebensmodellen ein.

Ein weiteres Ergebnis: Das katholische Familienbild zu idealistisch und daher ebenfalls zu lebensfern. Stimmen Sie dem zu?

Das glaube ich weniger. Das tradierte katholische Familienbild mit Vater-Mutter-Kind genießt ja auch nach dieser Umfrage einen großen Zuspruch. Viel entscheidender dürfte sein, wie wir zukünftig mit anderen Lebensmodellen umgehen. Stellen wir sie gleich oder sehen wir sie dahinter? Letzteres wird sich langfristig aus meiner Sicht nicht durchhalten lassen.

Die Familie wird in der Umfrage  als der wichtigste Ort der  Glaubensweitergabe gesehen. Nun heißt es ja immer, dass gerade dort der religiöse Grundwasserspiegel sinke. Ein Widerspruch?

Kein Widerspruch, sondern eine Herausforderung für die Kirche. Wir müssen weg von den kopflastigen Diskussionen in Bischofssynoden, ran an die Basis. Kirche kann uns helfen, unser Leben lebenswert zu gestalten und Werte zu vermitteln, die uns doch so wichtig sind. Wir lassen uns nur oft ein Bild aufzwängen, das Kirche als weit weg präsentiert.

Wie kann dieses aufgezwängte Bild verändert werden?

Papst Franziskus lebt aktuell vor, wie man mit kleinen, aber herzlichen Symbolen die Menschen sehr schnell für sich gewinnen kann. Er ist schon jetzt ein beeindruckender Reformer, weil er uns wieder zeigt, wie einfach es sein kann. Das müssen Familien auch wieder spüren, nämlich wie leicht es sein kann, in der Kirche zueinander zu finden und mitei­nander zu leben.

Ehen können scheitern – und hier zeigt die Umfrage, dass eine Mehrheit den Abschied von der strengen Unauflöslichkeit wünscht. Schließen Sie sich dieser Position an?

Ich war selbst lange Zeit Standesbeamtin und habe dort einen Wandel erlebt. Das Wesentliche für die Paare ist, dass sie einander ein Versprechen geben. Das Bewusstsein, dass wir mit dem Sakrament verbinden, dass nämlich Ehepaare sich genau dieses Versprechen vor und mit Gott geben, ist aus meiner Sicht gar nicht mehr so vorhanden. Wir müssen stärker herausstellen, was wir mit der kirchlichen Trauung vermitteln wollen.

Die kirchliche Weigerung, homosexuelle Lebenspartnerschaften anzuerkennen, wird als Diskriminierung verstanden. Sehen Sie das genauso?

Verfassungsrechtlich sind wir auf einem deutlichen Kurs zur Gleichstellung. Das wird sich auch in der Erwartungshaltung an die Kirche immer mehr zeigen. Die schwierigste Frage wird sein, wie wir mit dem Kinderwunsch homosexueller Paare umgehen.

Für die Weltbischofssynode im Oktober empfiehlt die Deutsche Bischofskonferenz eine aktive Beteiligung von Eheleuten und Familien. Richtig?

Auf jeden Fall. Wenn wir die Familien erreichen und mitnehmen wollen, darf die Kirche sie nicht bevormunden, sondern muss sie beteiligen. Kirche von unten ist Kirche mit den Gläubigen. Sonst entstehen wieder Vorgaben, die am Ende keiner lebt. Es muss ein Gefühl durch die Familien gehen, dass Kirche sie nicht bevormunden, sondern unterstützen will.

Interview: Rüdiger Wala