20.05.2015

Begeisternde Uraufführung von „Lux in tenebris“ des Komponisten Helge Burggrabe

Oratorium erhellt die Finsternis

Das mit Spannung erwartete Oratorium “Lux in tenebris“ (Licht in der Finsternis) wurde als ein kultureller Höhepunkt zum Bistumsjubiläum im Hildesheimer Dom uraufgeführt. Die Zuschauer im Dom wurden bei den Aufführungen in eine faszinierende Klang- und Lichterwelt entführt.

Mit Licht- und Videoinstallationen wird das Oratorium „Lux in tenebris“ im Hildesheimer Dom eindrucksvoll untermalt. Fotos: bph/Moras

Mehr als 120 Mitwirkende, da­runter die vier Chöre der Hildesheimer Dommusik, Streicher, Bläser, Organisten, Perkussionisten, Licht- und Videokünstler, namhafte Solisten und die Schauspielerin Martina Gedeck (Rezitation) beeindruckten die Besucher und führten sie durch Burggrabes poetische, gewaltige, alle Sinne berührende Kunst in ungeahnte Tiefen und Höhen. Dommusikdirektor Thomas Viezens und Domkantor Stefan Mahr brachten mit ihren wunderbar eingestimmten Chören und zahlreichen hervorragenden Instrumental- und Gesangssolisten das neue Werk von Helge Burggrabe zu einer grandiosen Aufführung.

Minutenlanger Beifall zum Abschluss

Stilistisch spannt die Komposition einen weiten Bogen von gregorianisch anmutenden Gesangslinien über melodiöse Gesangssoli, groß angelegte achtstimmige Chorsätze bis hin zu Sprechchorsequenzen und atonalen Klängen. Dabei diente die vielschichtige und differenziert aufgebaute Musik mit jeder Note den komplexen Themen der geistlichen Handlung und vermochte so das Publikum zu berühren, das am Ende minutenlang stehend Beifall spendete.

Von der ersten Überlegung bis zur Aufführung vergingen fast vier Jahre – eine besonders intensive Zeit für den Komponisten Helge Burggrabe, und nicht immer eine einfache.

Rückblick, eine abgelegene Wohnung in Bülstedt kurz vor Bremen: Helge Burggrabe sitzt mit einem Bleistift vor seinem Klavier, auf der Notenablage: ein Stapel Papier, viele Blätter noch leer. Es müssen mehr Noten werden, die sich am Ende zu einem wohlklingenden Oratorium vereinen sollen.

Aufmerksam verfolgt Helge Burggrabe (unten rechts) die Aufführung seines Oratoriums durch die Chöre und Schauspielerin Martina Gedeck.

„Lux in tenebris“ ist bereits das dritte große geistliche Musikwerk, das Burggrabe komponiert. Dennoch ist der Auftrag aus Hildesheim keine Selbstverständlichkeit für ihn, schließlich „ist es ein großer Aufwand und ein spannender Prozess, der über mehrere Jahre gehen kann. Und als Auftraggeber eines solch opulenten Werkes muss man auch mutig sein, denn man weiß nicht, was für ein Stück am Ende dabei herauskommt“. Voraussetzung für den Auftrag sei gewesen, dass er die vier Chöre des Hildesheimer Doms und die beiden neuen Orgeln musikalisch integriert.

Schauspielerin Martina Gedeck.

Der Heziloleuchter, vor allem aber die Bernwardtür, haben den Musiker zu diesem Thema inspiriert: „Die Tür mit ihren alt- und neutestamentlichen Szenen zeigt die Licht- und Schattenseiten des Menschseins: Adam und Eva im sonnendurchfluteten Paradies und der finstere Brudermord von Kain an Abel.“ Die Ikonografie der Bernwardtür lieferte für Burggrabe in Zusammenarbeit mit dem Hildesheimer Theologen Professor Dr. Reinhard Göllner und der Journalistin Angela Krumpen aus Köln die Vorlage für das Libretto, das Textbuch des Oratoriums. „So entstand im Laufe der Zeit eine Art Masterplan mit Texten und dramaturgischen Strukturen, den ich nach und nach – nüchtern gesagt – abgearbeitet habe“, sagt Helge Burggrabe.

Musik und LIcht verschmelzen eindrucksvoll

Anne Bierwirth und Manuel König.

Es beantwortet auch die Fragen, welche Figuren wann und wie auftreten werden. „Damit entscheidet sich auch, welche Stimme zu einer Figur passen wird. Eine Eva ist in meiner Vorstellung beispielsweise eine Sopranstimme. Etwa ein Viertel der Arbeit an einem Oratorium steckt also bereits im Schreiben und Konzipieren des Librettos.“ Die verbleibenden Dreiviertel sind dann die Noten, die zu den Stimmen und Instrumenten gefunden werden müssen – und damit beginnt der langwierigste Teil.

Eindrucksvoll verleihen Stephan Freiberger, Geraldine Zeller, Anne Bierwirth und Manuel König ihren dargestellten Figuren eine Stimme.

Seit Herbst 2013 fügte der Musiker und Komponist Helge Burggrabe an seinem Klavier Note zu Note. Es ist eine Arbeit, die man mit der eines mittelalterlichen Glasmalers vergleichen könnte, der Tausende von farbigen Einzelelementen zu einem einzigartigen Farbklang verschmelzen lässt.

Bei den Aufführungen von „Lux in tenebris“ im Dom verschmolzen Musik, Gesang und Text ebenso zu einem beeindruckenen Ganzen.