20.07.2012

Streifzug durch die Gartengeschichte

Schatten aus dem Paradies

Nachdem Gott die Schöpfung vollendet hatte, legte er einen Garten an. Und es war auch das Erste, was der Mensch tat: Er begann zu gärtnern. Zum Auftakt einer Serie über verschiedene Formen von Gärten ein kleiner Streifzug durch ihre Geschichte.

Garten und Religion gehören zusammen. Hier der Blick vom Rosengarten in Hildesheim auf St. Michaelis. Foto: Stefan Branahl
Garten und Religion gehören zusammen. Hier der Blick vom Rosengarten in Hildesheim auf St. Michaelis. Foto: Stefan Branahl

Die Vorstellung, dass sich ein paradiesisches Leben nirgendwo anders als in einem Garten abspielen kann, findet sich nicht nur im christlichen und jüdischen Glauben, sondern auch im Islam, im Buddhismus und in vielen anderen Religionen.  „Sind die irdischen Gärten Schatten, die der Paradiesgarten auf die Erde wirft?“, fragt sich der muslimische Schriftsteller Dzevad Karahasan, der bei Franziskaner-Patres in die Schule ging.

Nomaden legten die ersten Gärten an

Die Historiker sehen es weniger poetisch: Sie erklären, dass die ersten Gärten von Nomadenvölkern in den Wüsten des Orients angelegt wurden. Ausgeklügelte Systeme zur Wasserversorgung waren die Voraussetzung für die Blütenpracht. Hirten und Reiter mussten sich nach einem langen Weg durch die Wüste wie im Paradies vorkommen, wenn sie eine grüne Oase erreichten.  Einen dermaßen kostbaren Ort musste man schützen. So ist es kein Zufall, dass sich sowohl das Wort „Garten“ als auch das Wort „Paradies“ auf alte Begriffe für „Zaun“ oder „Mauer“ zurückführen lassen.

So einen geschützten Ort wuss­ten auch die Mönche und Nonnen des Mittelalters zu schätzen. Neben den Nutzgärten mit Obstbäumen, Heilkräutern und Gemüse gab es in den Klöstern immer auch einen Kreuzgang mit einem grünen Innenhof. Er diente keinem anderen Zweck, als die Mönche und Nonnen an das Paradies zu erinnern. In seiner Mitte stand ein immergrüner Wacholderbaum zur Erinnerung an den Baum des Lebens oder ein Brunnen, der die Quelle der vier Paradiesflüsse symbolisierte. Lebhafter geht es da schon in dem Lustgarten zu, den der Dominikaner Albertus Magnus in seinem Buch „De vegetabilibus libri VII“ plante. Mithilfe von Gartentipps antiker Autoren dachte er sich eine Oase für die Sinne aus. Auf Rasenbänken sollten Erholungsbedürftige im Schatten sitzen, den Duft der Blumen einatmen und dem Plätschern eines Springbrunnens lauschen.

Rose oder Ringelblume? Dass ein Garten einen Machtanspruch versinnbildlichen kann, entdeckten die Herrscher der Barockzeit. Symmetrische, durchgeplante Anlagen wie die Herrenhäuser Gärten in Hannover spiegeln ein Weltbild wider, in dem es klare Hierarchien gab und Selbstbestimmung ein Fremdwort war. „In den Französischen Gärten spiegelt sich nur der Willen des Besitzers, welcher die Natur unterjocht hat“, schimpfte der Philosoph Arthur Schopenhauer noch, als diese Mode längst vorbei war.

Die Rebellen des 19. Jahrhunderts

Englische Gärten waren das Vorbild der Gartenrebellen im  18. Jahrhundert. Ihr Ideal war die freie Entfaltung der Natur – doch ließen sie es sich nicht nehmen, auf unauffällige Weise einzugreifen und der Natur hier und da doch auf die Sprünge zu helfen.

Zum Volkssport wurde das Flanieren in öffentlichen Parks und das Gärtnern im eigenen Schrebergarten erst im 19. Jahrhundert. Und heute? „Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage, denn er fordert das, was in unserer Gesellschaft am seltensten und kostbarsten geworden ist: Zeit, Zuwendung und Raum“, meinte der Landschaftsarchitekt Dieter Kienast. Für die einen hat Gärtnern heute Kultstatus: Sie kultivieren Ananas-Minze und Thai-Basilikum, sind auf der Jagd nach fast ausgestorbenen Saatgut-Sorten und bekochen ihre Gäste im Sommer in luxuriösen Außenküchen. Für die anderen ist es ein Weg, in den Städten besser zu leben, Brachflächen zu nutzen und kleine Oasen im urbanen Grau zu schaffen. In Berlin hat sich ein Teil vom Gelände des aufgegebenen Flughafens Tempelhof in eine wild wuchernde Kleingarten-Anlage verwandelt. In Beeten aus Europaletten wächst Salat und in einer alten Badewanne gedeihen Tomaten. Wer sich einen Schrebergarten nicht leisten kann, findet hier Platz. In Hannover haben die City-Seelsorger neulich „Samenbomben“ in der Fußgängerzone verschenkt: Pflanzkugeln, aus denen überall dort blühende Überraschungen wachsen, wo man sie hinwirft. Für alle, die die Schöpfung nicht nur im eigenen Garten hegen und pflegen wollen.

Annedore Beelte

 

Zum Thema: Grüne Sehenswürdigkeiten

  • Evangelische Damenstifte in Niedersachsen laden ein, ihre Gärten zu besichtigen. Am besten erhalten sind die historischen Anlagen im Kloster Medingen bei Lüneburg. Im Frühling wurden die fächerartig angeordneten Gärten neu verteilt: Die ranghöchsten und ältesten Damen durften zuerst wählen. Internet: www.kloster-medingen.de
  • Mit dem Programm „Gartenregion“ lädt die Region Hannover ein, ihre grünen Lungen zu entdecken. Es gibt Musik, Ausstellungen und Theater im Freien. Die Kirchen sind mit dabei, zum Beispiel mit dem Garten des Sonnengesangs in Hannover-Kleefeld und dem Pilgertheater am Maschsee. Internet: www.hannover.de/gartenregion
  • Im Kurpark in Bad Pyrmont haben fast alle Epochen der Gartenkunst ihre Spuren hinterlassen: vom Französischen und Englischen Garten über den Palmengarten aus dem frühen 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart. 2005 wurde er als „Schönster Park Deutschlands“ ausgezeichnet. Internet: www.staatsbad-Pyrmont.de