26.02.2014

Neue Serie: Die sieben Werke der Barmherzigkeit heute

... wie es euer Vater ist

Barmherzigkeit – ein wuchtiges Wort. Eines, ohne das das Christentum nicht denkbar ist. Wie Gerechtigkeit. Beide erfüllen ein Vermächtnis, das Jesus uns hinterlassen hat: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25, 40).

Ein besonderes Zeugnis der Werke der Barmherzigkeit: Das Fenster in der dem hl. Leopold geweihten Kirche am Steinhof in Wien. Foto: Wikimedia Commons/Lell
Ein besonderes Zeugnis der Werke der Barmherzigkeit: Das Fenster in der dem hl. Leopold geweihten Kirche am Steinhof in Wien. Foto: Wikimedia Commons/ Lell

Die katholische Tradition kennt sieben sogenannte „leibliche“ Werke der Barmherzigkeit. Die ersten sechs folgen der Rede Jesu vom Weltgericht im Matthäus-Evangelium: „Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“

Das siebte Werk, Tote zu bestatten, wurde vom Kirchenvater Lactantius hinzugefügt: zum einen mit Bezug auf das Buch Tobit (1,17–20 ): „Ich gab den Hungernden mein Brot und den Nackten meine Kleider; wenn ich sah, dass einer aus meinem Volk gestorben war und dass man seinen Leichnam hinter die Stadtmauer von Ninive geworfen hatte, begrub ich ihn.“ Zum anderen, da es ein Werk der Barmherzigkeit durch Josef von Arimathäa, Nikodemus und die den Leichnam salbenden Frauen war, den Heiland selbst zu beerdigen.

Die Liebe zum Nächsten ist der Alltag der Kirche

Es sind diese Werke, die in knapp drei Jahrhunderten aus einer kleinen Schar von Jüngerinnen und Jüngern in der äußersten Ecke des Römischen Reiches erst eine Staats-, dann eine Weltreligion werden ließen. Keine politischen Ränkespiele, kein Geld, keine Macht. Nur die Bereitschaft zu helfen – einander  und den Armen und Ausgestoßenen. Denn das haben Frauen und Männer in den Katakomben vorgelebt: Die Liebe zum Nächsten ist der Alltag der Kirche. Nicht Wegschauen. Nicht Gleichgültigkeit.

Die politische und auch militärische Macht kam später. Darauf lag kein Segen. Der lag weiter auf den Hospizen, Spitälern und Armenküchen. Und der Segen lag auf Menschen, die diese Werke beherzigen. Manche von ihnen nennen wir heute heilig. Die vielen anderen kennt heute nur noch Gott.

Zeugnis der Werke der Barmherzigkeit legen auch Kirchen ab. Die dem hl. Leopold geweihte Kirche am Steinhof in Wien ist dabei ein besonderes Beispiel. Sie wurde von 1904 bis 1907 erbaut – im Zuge der Errichtung der Niederösterreichischen Landesheil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke. Kann es ein besseres steinernes Beispiel für die Barmherzigkeit geben als eine Anstaltskirche?

Eines der Fenster würdigt die leiblichen Werke am Beispiel von Heiligen: die heilige Elisabeth, die mit Brot und Rosen zu den Armen geht. Rebekka, die auch den Kamelen Abrahams zu trinken gibt (Gen 24). Der heilige Bernhard, der auf einem unwirtlichen Alpenpass ein Kloster zum Schutz von Reisenden und  Pilgern errichtet.

Nicht nur Suppe verteilen, auch Zuwendung schenken

St. Martin, der für einen Bettler seinen Mantel teilt. St. Johannes von Gott, aus dessen Krankenhaus in Granada sich der Orden der Barmherzigen Brüder entwickelte. St. Johannes von Matha, dessen Orden der Heiligsten Dreifaltigkeit sich dem Loskauf Gefangener und Sklaven widmete. Und schließlich Tobias, der die Leichen an der Stadtmauer von Ninive begrub. Sie alle werden Sie durch unsere Serie begleiten.

Wir werden Menschen porträtieren, die in ihre Fußstapfen getreten sind. Die nicht nur Suppe und Brot verteilen, sondern Zuwendung. Die nicht nur wärmende Getränke verteilen, sondern zuhören. Die nicht nur Pilger aufnehmen, sondern ihnen ein Stück Heimat in der Fremde schenken. Die nicht nur Mäntel ausgeben, sondern ein Willkommen. Die nicht nur Pillen reichen, sondern die volle Aufmerksamkeit. Die nicht nur Gefangene besuchen, sondern ihnen Hilfe zu einem guten Leben in der Freiheit geben. Die nicht nur bestatten, sondern Trost spenden. 

Wir wollten von ihnen wissen, warum sie das tun. Was sie trägt.  Was ihnen Schwierigkeiten macht. Woran sie im tiefsten Herzen glauben.

Das mag vielleicht unspektakulär sein.  Aber es erfüllt die Hoffnung Jesu: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,36).

Rüdiger Wala

Kommentare

Liebe Redaktion, lieber Rüdiger

mit Begeisterung habe ich den Artikel zur neuen Serie ".. wie es euer Vater ist" gelesen. Mit Spannung erwarte ich jetzt schon die folgenden Ausgaben zur Serie "Barmherzigkeit".

Noch deutlicher und konkreter wurde unser Papst bei einem Besuch im Armenviertel Roms: „Es reicht nicht, Brötchen an eine Person auszuteilen, die nachher nicht die Möglichkeit bekommt, auf eigenen Beinen zu sehen. Nächstenliebe, die einen Armen so lässt, wie er ist, genügt nicht. Wahre Barmherzigkeit verlangt nach Gerechtigkeit. Integration ist ein Recht.“

Ich kann dir, lieber Rüdiger, nur zustimmen. Wir müssen noch ganz schön an unserer Haltung arbeiten.

Vielen Dank
und Grüße
Helmut Zimmermann
Diakon m.Z. in Hl. Engel, Peine