13.09.2011
Was bedeuten Prozessionen vor Christi Himmelfahrt?
Bei Besuchen im Fuldaer Land ist mir aufgefallen, dass dort vor Christi Himmelfahrt gehäuft Prozessionen stattfinden. Mir sind die sogenannten Flurprozessionen bekannt, bei denen um gedeihliches Wetter und um eine gute Ernte gebetet wird. Allerdings werden dort in Fulda täglich von Sonntag bis zum Donnerstag am Himmelfahrtstag bis zu vier Altäre aufgebaut, das Allerheiligste wird ausgesetzt. Dieser Brauch ist mir unverständlich.
Ingrid Schuster, per E-Mail
Nach Auskunft des Pfarrers in Fulda-Johannesberg handelt es sich um Flur- und Bittprozessionen, die auch in anderen Regionen Europas üblich und bekannt sind. Allerdings wurden während der Barockzeit diese Prozessionen im Fuldaer Land immer feierlicher gestaltet, indem etwa Altäre aufgebaut und zu Christi Himmelfahrt das Allerheiligste – der Leib Christi in der Monstranz – mitgeführt wurde. Auf diese Weise habe man damals dieses Fest gegenüber Fronleichnam aufwerten wollen.
Während die Fronleich-namsprozession drei Wochen später mit Außenaltären und mitgeführtem Allerheiligsten durch den Ort führt, zieht die Gemeinde an den vier Tagen bis Christi Himmelfahrt vornehmlich durch die Felder, um traditionell für ein gedeihliches Wachstum der Feldfrüchte zu beten. „Darüber hinaus beten wir aber für alles, was das Leben betrifft“, sagt Pfarrer Michael Oswald. Die Anliegen werden über die vier Tage verteilt. So gibt es am Himmelfahrtstag eine große Bittprozession für alle Werktätigen.
In der Nachbarpfarrei wird bei den Bittprozes-sionen die Monstranz nach Aussage des Pfarrers nicht mehr mitgeführt. Diese
Änderung der Lokaltradition sorgte zunächst für etwas Diskussionen. Aber für die Bittanliegen braucht es das Allerheiligste auch nicht.
Bittprozessionen vor Christi Himmelfahrt entstanden bereits im Frühmittelalter in Gallien aus vorchristlichen Flurumgängen. Heute sollen in die Bittprozessionen „wesentliche Bereiche und Gefährdungen des gegenwärtigen Lebens“ einbezogen werden. So sehen es die Regelungen der deutschsprachigen Bischöfe vor.
Roland Juchem