02.08.2017
Zweitausend Kilometer im Dienst der Kirche
Gottes Bote auf zwei Rädern
Ungefähr zweitausend Kilometer im Dienst der Kirche legt Pfarrer Johannes Lim in Hannover jährlich auf dem Fahrrad zurück. Was zunächst als praktische Alternative zu Parkplatzsuche und vollen Straßenbahnen begann, ist mittlerweile Lebenseinstellung geworden.
unterwegs: Pfarrer Johannes Lim vor der
Basilika St. Clemens. | Fotos: Marie Kleine
Um es gleich vorweg zu nehmen: Hannover ist eine der wenigen Großstädte Deutschlands, in der man – Baustellen und Unfälle außer Acht gelassen – auch mit dem Auto zu fast allen Uhrzeiten zügig durch-
kommt. „Ich bin in der Stadt nicht unbedingt schneller mit dem Rad als mit dem Auto“, sagt Pfarrer Johannes Lim. Sicherlich spare er sich die Parkplatzsuche in der Innenstadt.
Als Kind begeistert Rennrad gefahren
Aber er wurde nicht seit seinem Dienstantritt in Hannover vor neun Jahren Schritt für Schritt zum Fahrrad-Fan, um Zeit zu sparen. Schließlich muss Lim jeden Tag sein „Stadtrad“ erst aus seiner Wohnung im ersten Stock runtertragen und am Zielort angekommen das Rad sorgsam abschließen. „Aber auf die fünf Minuten, die ich mit dem Rad länger brauche, kommt es nicht an“, sagt er. Zwei Fahrräder sind ihm schon gestohlen worden. Denn Lim fährt ein „ordentliches“ Fahrrad, wie er es nennt: leichter Aluminiumrahmen, dezentes Silber, mit Riemenantrieb statt Kette und Nabenbremse. Sein zweites Fahrrad, das „Reiserad“ für längere Strecken, ist schwerer und aus Stahl, mit breiteren Reifen.
Die Liebe zum Fahrrad kam in Etappen: Schon als Kind in Wolfenbüttel fuhr Johannes Lim gerne Rennrad. Auch seine beiden Brüder waren begeisterte Rennradfahrer. Während des Studiums und in seiner Zeit als Kaplan griff er aber kaum aufs Fahrrad zurück. „Nicht in jeder Pfarrei bietet sich das an“, erklärt er. Als er vor Hannover in Seelze tätig war, begann er wieder mit dem Fahrradfahren. In Hannover steigerte sich das immer mehr. „Früher war ich noch nicht so total aufs Fahrrad fixiert wie heute“, sagt er und muss lachen. Denn selbst im Urlaub schwingt sich Pfarrer Lim mittlerweile in den Sattel und fährt mit Freunden auf lange Touren. Auch kurze Distanzen von 200 Metern legt er lieber mit dem Fahrrad zurück als zu Fuß.
des Fahrradfahrens. Dann ist der Drahtesel allerdings
gut beladen.
Regen und Schnee können Pfarrer Lim nicht vom Fahrradfahren abhalten: Drei Kirchorte gehören zu seiner aktuellen Pfarrei St. Heinrich, die einen Großteil der Innenstadt Hannovers abdeckt, St. Elisabeth und die Basilika St. Clemens. Zwischen der Pfarreikirche und den beiden Filialkirchen liegen jeweils zwei bis drei Kilometer.
Die passende Ausstattung, um ganzjährig den Dienst als Seelsorger per Rad zu erfüllen, hat er: Regenhose, spezielle Fahrradhand-
schuhe, extra Reflektoren, eine leuchtende Jacke für die Dunkelheit. Und all das auch noch einmal in einer gefütterten Ausgabe für den Winter. „Im Prinzip brauche ich kein Auto“, sagt er. Er besitzt zwar einen 16 Jahre alten metallic-blauen Audi A2. Der kommt aber selten zum Einsatz. Auch auf die Öffentlichen Verkehrsmittel greift er nicht zurück.
Schon mehrere Unfälle hat der 52-Jährige hinter sich: Einmal musste nach einem Sturz seine rechte Hand operiert werden. Eine Sehne war gerissen.
Statt Stress im Auto – Ruhe auf dem Fahrrad
Seine Hinwendung zum Fahrrad hat mehrere Gründe. „Ich bleibe durchs Fahrradfahren körperlich fit und kann Abstand gewinnen zu Terminen, die ich gerade erlebt habe“, sagt Pfarrer Lim. Im Auto dagegen ärgere man sich öfter und es sei viel Unruhe. „Mit dem Fahrrad komme ich runter und kann mich dann auf den nächsten Termin einlassen“, betont er. Gerade wenn er vorher intensive Gespräche mit Gemeindemitgliedern geführt oder in Sitzungen diskutiert habe, sei die Zeit auf dem Rad eine gute Zäsur – eine kleine Auszeit mitten im Tagesablauf.
an den Schutzheiligen des Straßenverkehrs und
der Reisenden.
Für Pfarrer Lim geht es beim Fahrradfahren aber nicht nur darum, ins Gleichgewicht zu kommen: Es ist für ihn auch eine Metapher für eine lebendige Beziehung zu Gott. „Fahrradfahren kann so etwas wie ein bewegendes und bewegtes Gebet sein“, sagt er. So wie man auf dem Fahrrad nur dann das Gleichgewicht halten kann, wenn man in Bewegung bleibt, stabilisiert eine gelebte Gottesbeziehung das eigene Leben. „Das Fahrrad braucht einen Tret-Impuls, um voranzukommen, aber es hat gleichzeitig etwas Beruhigendes und Entspannendes durch die ständige Wiederholung – wie ein Gebet“, erklärt er. „Deswegen leihe ich mir auch während der Exerzitien meist ein Fahrrad aus, um mich in der Gegenwart Gottes zu bewegen.“
Von Marie Kleine